Вести из колоний (по страницам старых газет)

Из истории поволжских немцев.
Марьяновка
Постоянный участник
Сообщения: 671
Зарегистрирован: 07 янв 2011, 11:11
Благодарил (а): 232 раза
Поблагодарили: 2828 раз

Вести из колоний (по страницам старых газет)

Сообщение Марьяновка »

В старых газетах печатались заметки о жизни в колониях. И хоть не всегда в этих статейках указывались конкретные
фамилии, но, на мой взгляд, в них содержится очень много интересного о быте наших предков и читая их можно ощутить дух того времени, когда
они были написаны.
Марьяновка
Постоянный участник
Сообщения: 671
Зарегистрирован: 07 янв 2011, 11:11
Благодарил (а): 232 раза
Поблагодарили: 2828 раз

Re: Вести из колоний (по страницам старых газет)

Сообщение Марьяновка »

Hochstapler
So nennt man die feinen Männer, von denen wir auch zwei Dorfgenossen haben. Es sind das die Gebrüder J. und K. Lotz, die vergangenen Sonnabend von dem Dorfe Kaluga hier eingeliefert wurden. Die beiden Gesellen sind erst nach der Revolution aus dem Gefängnis entlassen worden, wo sie wegen Falschmünzerei saßen. Sie ließen sich wieder hier nieder und sind jetzt dabei, sich in der Saratower Straße ein Haus zu bauen. Zum Bauen aber braucht man jetzt viel Geld, und das verschafften sich die Gesellen durch verschiedenen Schwindel. Ihr letztes Opfer war R. Staub aus Mariental, wohnhaft in Marienburg, der seine Geschichte wie folgt erzählt.
Am 7 August fuhr er von Balakowo nach Katharinenstadt, um Filzstiefel zu kaufen. Unterwegs gesellte sich ihm J. Lotz zu, der ihn mit Schnaps bewirtete. Während Staub in der Nacht schlief, wurde er um 8 875 Rubel bestohlen. Er erwachte erst bei Saratow, fuhr zurück, suchte Lotz auf, der natürlich leugnete. Staub fuhr nach Hause und kehrte erst am 15 September nach Katharinenstadt zurück. Schon auf dem Wege von Balakowo hatte Lotz falsches Geld angeboten. Darauf baute Staub keinen Plan. Er verhandelte mit Lotz bis zum 20 September, wo Lotz den Diebstahl eingestanden hat und versprach, alles zu ersetzen, er solle ihm nur einen Platz verschaffen, wo er Geld machen könnte. Eigentlich könne er gar kein Geld machen, sondern mache nur die Leute durch mancherlei Schwindel vertrauensselig und locke ihnen das Geld aus der Tasche. Auf diese Weise habe er in kurzer Zeit von verschiedenen Einwohnern der umliegenden Dörfer über 30 Tausend Rubel erschwindelt.
Staub nannte einen reichen Mann namens Wiegand an der Reinwalder Metsched, mit dem ein „Geschäft“ zu machen wäre. Und die Reise ging dahin. Und hier im Speicher wurden die Gauner ergriffen und gefesselt. Sie gestanden abermals den Diebstahl in Gegenwart von Zeugen ein und schickten die Frau des einen nach Katharinenstadt, um das gestohlene Geld zu holen. Diese nahm sich hier eine Fuhre und jagte nach Kaluga, wo sie der Miliz anzeigte, ihr Mann sei unter die Mörder gefallen. Diese kam zu Weigand und fand hier verschiedene Geräte und Stoffe für Falschmünzerei. Die Gauner wurden verhaftet und nach Katharinenstadt gebracht.
Kolonist Nr. 64; Freitag, den 29 September 1917

Aus der Heimat.
Basel. Bezirk Nikolaewsk.
(Schulzustand)
Gestern ist bei uns der erste Lehrer der 2 Landamtsschule, die in diesem Jahre nun eröffnet worden ist, angekommen.
Doch, obwohl der Oktober vor der Türe steht, wo die Schulen schon längst hätten beginnen müssen, ist bei uns in dieser Hinsicht nach gar nichts getan worden. Weder ein Lokal zur Schule, noch Schulbänke und Lehrbücher sind vorhanden. Der 2 Lehrer dieser Schule wird noch erwartet.
In der 1 Schule könnte man sich ja abwechselnd, vormittags und nachmittags, mit jenem Lehrern dort beschäftigen, jedoch diese Schule gesteht überhaupt nur aus einem Zimmer, sodass sie von den zwei Lehrern, die dort tätig sein werden (für jetzt ist auch nur einer erst erschienen) völlig in Anspruch genommen sein wird. Wenn nicht besser gearbeitet wird, wie bisher, so kann es leicht dahin kommen, dass der regelrechte Unterricht erst gegen Weihnachten beginnen wird, und die Kinder somit länger denn ein halbes Jahr ohne Schule bleiben. Auf den Nachbardörfern soll es mit den Schulen nicht besser stehen. Unser Wunsch jedoch wäre, dass alle Gemeinden, Semstwo, Lehrer recht fleißig Hand anlegen möchten, damit das Werk der Bildung bald zu Stande käme.

Die Wahlen in die Bezirkslandschaft sind auf den 15 Oktober festgesetzt und werden ebenso vor sich gehen, wie die Wahlen in die Kreislandschaft, d.h. jede Gemeinde wählt für sich und stimmt für eine geschlossene Kandidatenliste.
Im ganzen Nikolaewskschen Bezirke sind 91 Stimmberechtigte (Glasnyje) zu wählen. Der Bezirk ist in 16 Wahlgebiete eingeteilt, die von 2-6 Kreise umfassen. Die Städte Nikolaewsk und Balakowo erhalten je 3 Vertreter.
Den ersten Wahlbezirk bilden die Kreise: Katharinenstadt, Rjasanowka und Baratajewka. Die drei Kreise haben zusammen 10 Vertreter zu wählen.
Die Kreise Paninskaja und Baratajewka haben zusammen 6 Vertreter zu wählen und bilden den 2. Wahlbezirk.
Der 5 Oktober ist der letzte Termin, dass Kandidatenlisten vorgestellt werden können. Dies hat wie früher bei Herrn H. Feidel zu geschehen. Die Katharinenstädter Demokraten werden wieder ihre eigene Kandidatenliste aufstellen und der nächsten Nummer veröffentlichen.

Franzosen, Bezirk Kamyschin.
Unsere Gemeinde hatte ihren Vertretern auf dem 2. Kolonistenkongress einen Beschluss mitgegeben, der dahin lautete, dass alles Land dem arbeitenden Volke ohne jeglichen Auskauf übergeben werden müsse und, dass man nur solche Männer in die verfassunggebende Versammlung schicken dürfe, welche diesen Forderungen entsprechen und nicht solche, welchen das Land abgenommen werden soll.
Auf dem Kongresse war die Demokratie stark vertreten und die Beschlüsse wurden im Sinne des demokratisch gesinnten Volkes abgefasst, ein Beweis dafür, dass wir an eine Auferstehung des morschen Zarismus nicht mehr glauben dürfen.
Deshalb mahne ich alle diejenigen, die noch an dem Alten hängen, alles fallen zu lassen und sich der neuen demokratischen Ordnung anzuschließen.
J. Frickel.

Louis, Bezirk Nowousensk.
Unsere Gemeinde sollte der Regierung 22 Stück Rindvieh stellen. Präsident A. Quint machte der Gemeinde den Vorschlag, 6-8 Stück anzukaufen. Es wurde dabei vom Verpflegungskomitee unterstützt. Da Herr Quint einen schönen Ochsen hat, so hatte man Grund anzunehmen, es gälte nur die Rettung dieses Ochsen, und man lehnte den Antrag ab. Und da man auch mit dem Verpflegungskomitee unzufrieden war (Das Mitglied beider Komitees P. Springer, beschäftigte sich mit Schnapsbrennerei), so beseitigte die Gemeinde am 19 September beide Komitees und wählte neue.
Ein Freund der Ordnung.
Kolonist Nr. 65; Sonntag, den 1 Oktober 1917
Марьяновка
Постоянный участник
Сообщения: 671
Зарегистрирован: 07 янв 2011, 11:11
Благодарил (а): 232 раза
Поблагодарили: 2828 раз

Re: Вести из колоний (по страницам старых газет)

Сообщение Марьяновка »

Der Wille unserer Kameraden an der Front.
Wir veröffentlichen mit besonderer Freude eine Willensäußerung unserer Soldaten, die uns durch Lehrer J. Kufeld zugesandt worden ist.
Aufruf
an die deutsche Bevölkerung in den Gouvernements Saratow und Samara an der Wolga von ihren Brüdern in der Festung Kars.
Bei der Beratung über die Frage der bevorstehenden Wahlen in die Gründerversammlung stellten die deutschen Soldaten in Kars folgende Forderungen auf, die der zukünftige von den Deutschen erwählte Abgeordnete im Rahmen der deutschen Bevölkerung als ihr heiligstes Gut zu verteidigen hat:
1) Vor allen Dingen eine demokratische Republik.
2) Das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht bei allen Wahlen in alle Verwaltungen.
3) Das Recht der Selbstbestimmung für alle Nationen.
4) Unbeschränkte örtliche Selbstverwaltung, wobei die Deutschen in jedem Bezirk ihre eigene Verwaltung haben und alle deutschen Bezirke sich in ein Gouvernement zusammenschließen mit einer deutschen Verwaltung an der Spitze.
5) Volle Gleichberechtigung aller Bürger ohne Unterschied des Geschlechts, der Religion, der Rasse und der Nationalität.
6) Die Muttersprache in der Schule.
7) Deutsches Gericht mit erwählten Richtern.
8) Bewaffnung des Volkes statt des stehenden Heeres.
9) Schulzwang vom 7 bis zum 15 Jahre einschließlich.
10) Abschaffung der indirekten Steuern und Einführung der Erbschafts- und Einkommensteuer.
11) Staatliche Versicherung der Arbeitsunfähigen.
12) Entäußerung der Fürsten- und Gutsbesitzerländereien und gleichmäßige Verteilung derselben samt den Kronsländereien an der Bauerschaft.
Brüder an der Wolga!
Wir wenden uns an Euch auf Berg- und Wiesenseite mit dem Aufruf: nur solche Männer zu wählen, die die Verteidigung und Durchführung ins Leben der oben aufgestellten Forderungen versprechen und für ihre heiligste Pflicht halten.
Von den deutschen Soldaten in Kars.
Den 3 April 1917.
Kolonist Nr.4; Sonntag, den 7 Mai 1917

Boaro, (Bezirk Nikolaewsk)
Die Wahl des Dorfkomitees.

Da in unserer Gemeinde schon lange Kampf zwischen Einzel – und Gemeindebesitzern tobt, der die Gemeinde in zwei fast gleiche Teile gespalten hat, so hatte man erwartet, dass die Wahl des Dorfkomitees nicht glatt ablaufen werde. Anfänglich schien es auch, als werde nichts Ersprießliches zustande kommen. Es gelang jedoch, sich dahin zu einigen, dass jede Gruppe aus ihrer Mitte 8 Vertreter wählte, wodurch beide Parteien befriedigt wurden. An der Wahl beteiligten sich 1265 Wähler, darunter mehr Frauen als Männer. Das Haus konnte natürlich die Menge nicht fassen; es ging daher heraus auf den Hof und dann sogar auf die Straße. Von da wurden die Wähler einzeln hereingelassen und ihnen die Wahlzettel abgenommen.
Zum ersten Male hatte die Gemeinde eine solche Wahl gesehen. Einigen Alten wollte es durchaus nicht in den Kopf, dass auch die Frauen da mitreden sollten. Es war auch nicht leicht für das fleißige Wölkchen, ihre Zeit der Wahl zu opfern. Viele Frauen hatten sich den Strickstrumpf mitgebracht. Einige Männer konnten das Ende der Wahl nicht erwarten und stiegen über die Hofwand, um schnell wieder an ihre Arbeit zu kommen. Die erste Wahlprobe hat die Boaroer Gemeinde gut bestanden. Möge die Wahl beitragen zu weiterer Eintracht in unserer Gemeinde.
N.N.
Kolonist Nr.8 Katharinenstadt, Mittwoch, den 17 Mai 1917
Марьяновка
Постоянный участник
Сообщения: 671
Зарегистрирован: 07 янв 2011, 11:11
Благодарил (а): 232 раза
Поблагодарили: 2828 раз

Re: Вести из колоний (по страницам старых газет)

Сообщение Марьяновка »

Unterdorf. Kirchspiel Rosenberg.
Ein Funke der Liebe.

Die Unterdorfer Gemeinde hat auf ihrer letzten Versammlung der hier im Dorfe wohnenden deutschen Flüchtlinge (Vertriebenen) in brüderlicher Liebe gedacht. Sie hat einstimmig beschlossen, jeder Familie (hier wohnen 16 Familien mit 90 Seelen) der Flüchtlinge eine volle Fuhre Brennholz zum Beheizen ihrer Wohnungen im bevorstehenden Winter unentgeltlich abzulassen. Sogar einige Wirte haben obendrein ihren Anteil an Brennholz diesen vertriebenen Leuten geschenkt.
Hieraus ersieht man, dass in der Unterdörfer Gemeinde die Bruderliebe zu den unglücklichen vertriebenen Leuten noch nicht ganz erloschen, sondern wiedermal lebendig geworden ist.
Möge die Unterdörfer Gemeinde ein Beispiel für andere Gemeinden sein. O, du bemittelter Bruder, entziehe nicht deine Hand diesen unseren deutschen vertriebenen Mitbrüdern, sondern gedenke ihrer im bevorstehenden Winter, helfe ihnen soviel du nur kannst, damit du dich nicht an ihnen versündigst. Gedenke der Heillandsworte:
„Was ihr getan habt Einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“
Konrad Sinner.
Saratower Deutsche Volkszeitung Nr. 28; Saratow, den 8 Oktober 1917



Langenfeld. Bezirk Nowousensk.
Gott sein Dank, die Zahl der Konsumvereine hat sich wieder um einen vermehrt. Es hat ja viel gute Idee zu bringen, aber ohne Mühe und Arbeit gewinnt man nichts. Hinderlich war lange Zeit Krasny-Kut, als guter Handelsplatz, wo die Leute früher alles bekommen konnten, durch die privaten Händler, welche sich durch überflüssige, Prozenten Haufen von Geld sammelten. Nur in der letzten Zeit wurde es dank der Umgestaltung in unserem Reich dahingebracht, dass nun die Konsumvereine ihre Waren aus den Fabriken beziehen dürfen, so dass unser Dorf und auch andere gezwungen sind, Konsumvereine ins Leben zu rufen. Selbstverständlich ist aller Anfang schwer und besonders in dieser Zeit, wo viele Waren nicht zu bekommen sind, und wenn man welche bekommt, so nur zu unerhörten Preisen, was die Konkurrenz mit den alten Händlern schwer macht. In Saratow hat sich ein Verband der Konsumvereine der Saratower Gegend (союз потребительских обществ Саратовского края) aber dieser Verband kann seinen Pflichten nicht nachkommen, denn die Zahl der Glieder desselben ist schon zu groß. Deshalb erinnere ich noch einmal an den Artikel von Herrn L. Jung über die Gründung eines Verbandes der deutschen Konsumvereine an der Wolga. Dieses muss so schnell wie möglich geschehen.
Dieses alles verlangt feste Einigkeit, denn „Einigkeit macht stark das Leben
Einigkeit baut Häuser auf.
K. Rudi. J. Schmidt.
Saratower Deutsche Volkszeitung Nr. 28; Saratow, den 8 Oktober 1917
streiss
Постоянный участник
Сообщения: 466
Зарегистрирован: 10 янв 2011, 16:44
Благодарил (а): 2521 раз
Поблагодарили: 1232 раза

Re: Вести из колоний (по страницам старых газет)

Сообщение streiss »

Марьяновка писал(а):
Langenfeld. Bezirk Nowousensk.

K. Rudi. J. Schmidt.
Saratower Deutsche Volkszeitung Nr. 28; Saratow, den 8 Oktober 1917
Марьяновка, пожалуйста, пишите, пишите!!! Вот и о "моём" Лангенфельде писали в газете. И -J. Schmidt - это или мой прадедушка Иоханнес Шмидт или его сын, рождённый в 1886г., что вероятнее. СПАСИБО ВАМ ОГРОМНЕЙШЕЕ!!!!
Andreas1105
Постоянный участник
Сообщения: 78
Зарегистрирован: 24 фев 2013, 13:42
Благодарил (а): 179 раз
Поблагодарили: 192 раза

Re: Вести из колоний (по страницам старых газет)

Сообщение Andreas1105 »

Марьяновка писал(а):
Langenfeld. Bezirk Nowousensk.

K. Rudi. J. Schmidt.
Saratower Deutsche Volkszeitung Nr. 28; Saratow, den 8 Oktober 1917
Мне хочется о K. Rudi. подробнее узнать.
ищу: Руди и Шлегель из Побочное/Nebendorf.
Киссельманн и Schneider из Бальцер .
Гендель/Hendel и Шёнбергер/Schönberger из Марксштадт.
Фишер и Моор из Обермонжу.
Марьяновка
Постоянный участник
Сообщения: 671
Зарегистрирован: 07 янв 2011, 11:11
Благодарил (а): 232 раза
Поблагодарили: 2828 раз

Re: Вести из колоний (по страницам старых газет)

Сообщение Марьяновка »

Andreas1105 писал(а):Мне хочется о K. Rudi. подробнее узнать.
Андреас, я бы с удовольствием Вам помог, но в большинстве случаев, авторы статей старались оставаться анонимными. В данном случае указана хоть фамилии авторов. Но просмотрев свои записи, я нашел еще одну статью, автором которой является Руди - правда, на этот раз Петр.


„Verlass dich auf keine Partei“.
(Volkszeitung Nr. 35)

Ja so kann man jetzt sprechen, wo alles vollbracht ist. Jetzt, wo durch langen Klassenkampf die Revolution mit Blut errungen ist und die eisernen Ketten des Zarismus, in welchen Bauern, Arbeiter und Soldaten schmachteten, zerbrochen sind von den Sozial-Revolutionären und Sozialdemokraten, - jetzt sagt man, „verlass dich auf keine Partei und gedenke, dass du ein Deutscher bist“.
Niemals vergessen wir, dass wir Deutsche sind, aber wir wissen auch, dass die Interessen der Bauern und die der Kapitalisten weit aneinander vorbeigehen. Diese Worte rufen die deutschen Bürger zur Vereinigung unter einer Fahne. Aber bringt denn solch eine Vereinigung den Landlosen und Landarmen Land und Freiheit? Gibt so eine Vereinigung dem Arbeiter, der in Fabriken und Werken schmachtet und dessen Familie, die brotlos dasitzt, gibt sie ihm Freiheit und einen genügenden Lohn, um seine Familie nicht darben zu lassen? Sie meinen, diese Klasse müsste sich wappnen mit Geduld und Gleichgültigkeit und müsste ohne Klassenkampf ihr elendes Leben weiterführen. Das ist das, was Professor Johannes Edgar in seinem Artikel: „Der Sozialismus und die Bibel“ von England schreibt, wo die Gleichgültigkeit des Volkes es nicht dahin kommen lasse, dass eine Revolution stattfinde. Zu solcher Gleichgültigkeit aller Ungerechtigkeit gegenüber rufen uns die Worte: „Gedenke, dass du ein Deutscher bist, mag es dir auch noch so schlecht gehen, magst du auch den Unterschied der Klassen sehen, - denke nur, dass du ein Deutscher bist“. Dieser Aufruf zur Gleichgültigkeit hätte vor 50 oder 100 Jahren fruchten können, als der Kampf um des Menschen Rechte noch nicht so entwickelt war. Aber leichter kann man den rauschenden Strom der Wolga im Frühjahr aufhalten, als das Gefühl des Klassenkampfes und des Kampfes um Menschenrecht dämpfen.
Denn die Worte „Land und Freiheit“ klingen schon so lange und stark in jedem Herzen. Lieber sterben, als sich davon absagen. Der Klassenkampf wird währen, bis die Worte Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit zur Tatsache geworden sind, bis jeder seinen Nachbar als seinen Bruder ansteht und nicht nur seinen Nutzen sucht, sondern das Wohl seiner Mitbrüder. Nicht eher wird der Klassenkampf aufhören, als bis der Kapitalist mit seinem Sklaven in den Kohlenschacht hinabsteigt und ihm die Hand reicht und sagt: „Bruder, für dich ist der Tag gekommen, da du die Früchte deiner Arbeit ernten sollst: du sollst jetzt leben wie ein Mensch, ich habe mich lange genug in deinem Blut gebadet. Bis der Gutsbesitzer, der sich Stolypins Gesetz zunutze gemacht und seinen Mitbrüdern das Land für einen Spottpreis abgekauft hat, denen in Sibirien Milch und Honig versprochen war, seinem Mitbruder sagt: „Ja, Bruder, bei Tagesanbruch habe ich erkannt, dass ich das Land, das dich nähren soll, in der Finsternis falsch gekauft habe, nimm es wenn es sich selbst noch nicht ausgekauft hat, so bezahlt es mir der Staat. Die Worte: „Kindlein, liebt euch unter einander oder vergesset nicht, dass ihr Deutsche seid“, halten den Kampf um Land und Freiheit nicht auf, denn noch spüren wir die Wunden, die uns die Sklaverei geschlagen hat, zu sehr. Land und Freiheit kann man nur gewinnen durch die Einführung neuer Gesetze, und sollte bei einer neuen Revolution wieder Blut fließen, so dürfen wir nicht vergessen, dass, je röter die Fahne, desto größer die Freude sein wird.
Wir dachten, es sei schon alles errungen bei dem Sturze des Kaisers, es sei auch das alte Gesetz gestürzt; jetzt bei den Wahlen in die verfassunggebende Versammlung sehen wir es, mit welcher Partei wir es zu tun haben; sie hält fest an den alten Gesetzen und will eine Volksregierung bilden in einer Wolfshaut. Sie rufen den Gutsbesitzer zu: „Wenn ihr euer Land ungeschmälert behalten wollt – so stimmt für Nr.16“ Wo bleiben aber „die Landlosen und Landarmen? Wo ist das Gefühl der Nächstenliebe? Darum alle, die ihr einen Funken Nächstenliebe zu euren Mitbrüdern, die in den Kohlenschachten und Fabriken schmachten, zu den Landlosen und Landarmen, die arbeitslos und hungernd im Dorfe sitzen, frisch zum Kampfe für Land und Freiheit.
Peter Rudi.
Kolonist Nr.90; Katharinenstadt, den 29 November 1917
Марьяновка
Постоянный участник
Сообщения: 671
Зарегистрирован: 07 янв 2011, 11:11
Благодарил (а): 232 раза
Поблагодарили: 2828 раз

Re: Вести из колоний (по страницам старых газет)

Сообщение Марьяновка »

Zur Sozialistenkonferenz in Katharinenstad.
Am 10 August
Im Auftrage des Zentralkomitees eröffnet Genosse Müller die Konferenz, indem er zugleich die Versammlung im Namen des Petrograder Rates der Arbeiter- und Soldatendeputierten begrüßt. In seiner Rede weist er auf die Notwendigkeit hin, das Zentralorgan der revolutionären Demokratie durch mächtige örtliche Organisationen zu unterstützen.
Zum Vorsitzenden wird A. Emich, zu Gehilfen die Genossen Kalinitschenko und Fink, zu Sekretären Schneider und König gewählt.
Darauf wird festgestellt, dass außer dem Zentralkomitee 4 Organisationen ordnungsgemäss vertreten sind: von Katharinenstadt, Saratow, Warenburg und Kriwojar(Brunnental). Auf der Konferenz waren 29 Mitglieder, unter ihnen 16 Sozialdemokraten, 7 Sozialisten-Revolutionäre und 6 Parteilose erschienen. Die Berichte der Ortsgruppen bestätigen, dass an den 4 oben erwähnten Orten kräftige Organisationen bestehen. (Katharinenstadt zählt über 100, Saratow über 50, Warenburg zirka 70 und Kriwojar nahe an 200 Mitglieder.) Doch auch in vielen anderen Kolonien werden Ortsgruppen gebildet, die eine rege Tätigkeit entfalten, wodurch viele tätige Mitglieder verhindert wurden, an der Konferenz teilzunehmen.
Am 11 August
Die Sitzung beginnt mit dem Bericht des Zentralkomitees, welchen A. Emich erstattet.
Nachdem er auf die ausdehnte Verlagsarbeit des Zentralkomitees hingewiesen hatte (die Zeitung „Der Kolonist“ und die Ausgabe deutscher Broschüren, von denen gegen 10 erschienen sind und wöchentlich 3 neue gedruckt werden können), berichtete er von der Verhandlungen mit dem Landesamt zu Nowousensk wegen Verbreitung deutscher politischer Literatur. Das Landesamt zu Nowousensk hat außer den Summen für deutsche sozialistische Literatur 3750 Rubel zur Unterstützung des „Kolonisten“ bestimmt. Das Landesamt zu Samara hat 10 000 Rubel für politische Kurse bestimmt; 3000 Rubel sind davon schon erhalten. An den Verband ist eine Einladung ergangen, Delegierte auf die Sozialistenversammlung in Nikolajewsk abzuordnen.
Genosse Müller erstattet Bericht von seiner Reise im Auftrage des Zentralkomitees nach Saratow und Nowousensk. Das Landesamt zu Nowousensk hat zur Eröffnung der politischen Kurse 2000 Rubel vorgestreckt, bis wir das Geld aus Samara erhalten und hat Bestellungen auf politische Luteratur gemacht.
Bei den Verhandlungen über den Bericht des Zentralkomitees entsteht zuerst die Frage über engere Verbindung mit den Organisationen, welche an verschiedenen Orten von Lektoren gegründet wurden, da die meisten Lektoren nicht erschienen sind, und die von ihnen gegründeten Gruppen keine Vertreter zur Konferenz beordert haben. Eine schriftliche Mitteilung ist nur von einer, durcch Genosse Fritzler organisierten Gruppe vorhanden, Genosse Kalinitschenko schlägt vor, die Lektoren um Einsendung schriftlicher Mitteilungen zu bitten. Genosse Müller ist der Meinung, dass das Zentralkomitee die neuentstandnenen Organisationen bereisen müsse, um genaue Angaben zu erhalten. Genosse Zitzer erklärt, dass alle Lektoren verpflichtet seien, dem Landesamt Mitteilungen über ihre Tätigkeit zuzustellen, deshalb könne man die nötigen Angaben aus dem Landesamt bekommen.
An die Frage über Verkauf der Literatur knüpft sich die Frage über Rückzahlung an das Zentralkomitee. Einige raten, den ganzen Rabatt von 20 Prozent, welchen der Verlag den Parteiorganisationen macht, dem Zentralkomitee zu entrichten, doch Genosse Müller findet, man müsse den örtlichen Organisationen einen Teil des Rabatts lasen; dagegen wird kein Widerspruch erhoben. Die Vertreter der Gruppen von Saratow (Schreiner), Katharinenstadt (Müller) und Warenburg (Leisle) erklären, dass sie die Beiträge in den nächsten Tagen entrichten können.
Die Versammlung geht zu der Frage der Organisationsgrundsatze über, und Genosse Müller erläutert die verschiedenen Gesichtspunkte, auf welchen die Mitglieder des Verbandes stehen. Eine Gruppe will keine nationalen Aufgaben für den Verband anerkennen, und sieht in ihm nur den Versuch zu einem Block der russischen sozialistischen Parteien. Eine andere Gruppe möchte die Beziehungen des Vaterlandes zu den russischen sozialistischen Parteien ignorieren und ein besonderes Programm annehmen. Der Redner schlägt vor, die goldene Mittelstraße zu gehen und entweder die nationalen Aufgaben, noch die russischen sozialistischen Parteien zu ignorieren. Die Versammlung schließt sich der Meinung des Redners an und wählt eine Kommission zur Ausarbeitung des Statuten bestehend aus folgenden Personene:
Müller, Kalinitschenko, Schuchardt, Weigant, Leisle, Schreiner und Fink.
Schluss folgt.
Kolonist Nr. 52; 1 September 1917

Zur Sozialistenkonferenz in Katharinenstadt.
Schluss
Nach einer Pause werden die Statuten der Versammlung vorgelegt und die drei ersten Punkte angenommen.
1. Der Verband der deutschen Sozialisten an der Wolga stellt sich die Aufgabe, alle bestimmt sozialistischen Gruppen unter den deutschen Ansiedler der Gouvernements Saratow und Samara zu vereinigen.
2. Als Mitglied des Verbandes zählt jeder, der das Programm einer der revolutionären sozialistischen Parteien anerkennt, oder die Plattform des Verbandes, welche auf der ersten Konferenz angenommen wurde: der in einer Ortsgruppe des Verbandes angeschrieben ist und allen Verordnungen der vollberechtigten Organe des Verbandes Folge leistet.
3. An der Spitze des Verbandes steht das Zentralkomitee, dessen Bestand sich auf folgende Weise zusammensetzt: 5 Mitglieder des Zentralkomitees, werden unmittelbar von der Konferenz gewählt und bilden ein beständiges Büro, welches seinen Sitz in Katharinenstadt hat und die laufende Arbeit verrichtet. Alle örtlichen Organisationen, die nicht weniger als 50 eingeschriebener und die Beiträge zahlender Mitglieder aufweisen, wählen zu einem Delegierten in den erweiterten Bestand des Zentralkomitees, welcher, wenn erforderlich, zur Entscheidung der wichtigsten Fragen einberufen wird, jedoch wenigstens einmal jeden Monat. Genosse Kalinitschenko schlägt vor, folgende Ergänzung zu den Statuten hinzuzufügen: „Die einzelnen Gruppen des Verbandes richtten ihre Tätigkeit nachdem Programm derjenigen Partei, der sie angehören, doch ohne ihre Zugehörigkeit zu dem Verband außer acht zu lassen. Wo ein gemeinsames Zusammenwirken aller Organisationen des Verbandes erforderlich ist, gehen sie unter der Flagge des Verbandes vor und richten ihre Tätigkeit nach den Bestimmungen des Zentralkomitees oder einer Konferenz des Verbandes.“ Es wurden 5 Stimmen für und 5 gegen die Annahme der Ergänzung abgegeben, und somit der Antrag abgelehnt. In Anbetracht der Wichtigkeit der Frage, und da die Versammlung sehr klein ist, wird beschlossen, die Entscheidung darüber zu vertragen, und die Frage bleibt offen. Die Konferenz schreitet zur Erörterung der Frage über die Kulturarbeit des Verbandes. Genosse Müller teilt mit, die Organisation zu Saratow habe sich die Gründung eines Arbeiterklubs zur ersten Aufgabe gemacht und sei zu diesem Zweck mit dem Nationalbüro zu Saratow in Unterhandlung getreten. Andere Genossen weisen auf eine ganze Reihe verschiedener Kulturanstalten hin, in denen gearbeitet werden muss. In Katharinenstadt ist die Gründung eines Volkshauses in Aussicht genommen; der Delegierte von Warenburg rät, die Kurse für Erwachsene zu benützen. Genosse Grünwald weist auf die Jünglingsvereine hin und macht den Vorschlag, eine spezielle Kommission oder das Zentralkomitee solle die Statuten solcher Vereine ausarbeiten. Alle angeführten Vorschläge werden von der Versammlung gutgeheißen, sowie auch der Vorschlag von Genosse Schuchardt, man solle bestrebt sein, in diesen Anstalten Einfluss zu gewinne und dieselben nicht für andere Parteien organisieren.
Auf der Tagesordnung steht die Frage von der Beteiligung des Verbandes an den Wahlen in das Kreislandamt. Nachdem die Versammlung den Bericht des Genossen Kalinitschenko angehört hat, beschließt sie, Proklamationen drucken zu lassen und Kandidatenlisten des Verbandes aufzustellen. Darauf werden die Genossen Fink und Schneider auf die Konferenz der Sozialrevolutionäre nach Samara delegiert. Als letzte kommt zur Verhandlung die von dem Vertreter der Organisation zu Saratow aufgestellte Frage über die Einschränkungen der deutschen Soldaten in ihren Rechten. Da kein faktisches Beweismaterial vorliegt, so schlägt der deutsche Sozialistenverband den Soldaten vor, in jedem Fall von Einschränkung Protest zu erheben, und der Verband wird seinerseits alle Maßregeln zur Beseitigung der Einschränkungen treffen. Zum Schluss wurden in das Zentralkomitee des Verbandes gewählt: A. Kalinitschenko, A. Emich, W. Müller, W. Fischer und A. Schaufler. Vertreter der Ortsgruppen: J. Schäfer und A. Fischer.
Kolonist Nr. 53; Katharinenstadt, Sonntag, den 3 September 1917

Liebental, Bezirk Nowousensk. /Kandidatenwahl.
Am 23 August hatten wir große Gemeindeversammlung, auf der auch die Frauen anwesend waren. Es wurden vier Kandidaten in die Kreislandschaft aufgestellt. Nachdem der Präsident des Sicherheitskomitees J. Graf alle Herrschaften am Tische platziert hatte, ergriff er das Word und erweichte die Herzen der Zuhörer: es müssen solche vier Männer sein, die auch das Interesse der Gemeinden vertreten können. Unterdessen unterhielt sich unser alter Seelsorger draußen im Hof mit einer Gesellschaft von Frauen und riet ihnen, den alten Graf zu wählen. „Da wähle ich lieber unsern Blaß“, sagte eine Frau, dann begab sich Pater Schwald nach Hause zu seiner Köchin, einer Soldatenfrau, und sagte zu ihr: „Gib deine Stimme deinem Tate.“ Gewählt wurden J. Graf, der seine Prodoschnohe im Kreishaus aufbewahrt, P. Schönberger, der uns das schöne Pastorat gebaut hat, der dritte hat viele gekaufte Seelen und der vierte ist P. Mermis, ein Mann der die Gerechtigkeit liebt. Ein altes Mütterchen sagte: „Ich wähle meinen Stiefsohn, der auch ein Ämtchen haben möchte.“
Ein Mann der Wahrheit.
Kolonist Nr. 53; Katharinenstadt, Sonntag, den 3 September 1917
Марьяновка
Постоянный участник
Сообщения: 671
Зарегистрирован: 07 янв 2011, 11:11
Благодарил (а): 232 раза
Поблагодарили: 2828 раз

Re: Вести из колоний (по страницам старых газет)

Сообщение Марьяновка »

Popowkino. Bezirk Omsk.
Bei heftigem Winde verbrannte den Einwohnern dieses Dorfes – G. Bötsch, P. Bofus, H. Müller, B. Jost, Ch. Schütz, H. Isheim und P. Schnel, durch ein von Kindern verursachtes Feuer ihre ganze Getreideernte. Der Schaden wird auf 70 000 Rubel geschätzt.
Neu Schöntal, Bezirk Omsk.
Weil es in Sibirien morgens, Mitte September schon empfindlich kalt ist, zündeten die Arbeiter auf der Dreschtenne des Einwohners Armbrüster den Strohhaufen an, in welchen sie die Nacht geschlafen haben. Zu spät wurden sie gewahr, dass in dem brennenden Stroh der Arbeiter F. Lamm, aus Paulskoi (an der Wolga) 19 Jahre alt, lag und noch schlief, welcher dann auch rettungslos verbrannte.
P. Becker.
Kolonist 67

Eine Reise von Simbirsk nach Erserum.
Es war am 11 Juni im Jahre 1916 als wir deutsche Rekruten von Simbirsk aus dem 242 Bataillone nach Erserum geschickt wurden; wir waren es freilich auch schon satt im Bataillone, denn dort ging es nicht so, wie zu Hause: „Was ich will, das tue ich“. Nein, da hieß es nur immer: «слушаюсь» «так точно» «никак нет». Wir fuhren mittags um 12 Uhr ab, es ging langsam, so wie es bekanntlich auf dem Maksim geht, „komme ich heute nicht, so komme ich morgen.“
Von Anfang ging es, wenn wir auch nachts um 12 Uhr zu Mittag aßen, doch immer noch, aber als wir in den Kaukasus kamen, durften wir kein Essen mehr kaufen, wir wurden von den (Конвой) Leitern nicht aus den Waggons gelassen. Da gab es aber böse Gesichter, Streit und Zank und Stöße, oder die Leitern wurden aus den Fenstern mit Wasser begossen, was sie sehr ärgerte und sie suchten sich zu rächen. Da kam es einmal vor, dass ein Soldat etwas kaufen wollte. Er sprang aus dem Waggon auf die Händlerin zu; der Leitern sprang ihm entgegen und ließ ihn nicht fort. Da wurde der Soldat böse und sprach: „Willst du mich wohl nicht fortlasse“; der Gounwoi sprach: „что? Что?» Aber noch ehe er damit fertig war, gab ihm der Soldat einen Stoß in die Rippen und sprang wieder weiter, der Gounwoi ihm nach; als er vor ihn kam, da wartete er nicht lange und stieß ihn mit dem Flintenschuft gerade auf das Auge. Da wurde der Feldscher gerufen, der Soldat wurde bewickelt und der „Maksim“ ging los.
Als wir nach Tiflis kamen, war alles all; kein Geld, und Brot war keins zu bekommen für Geld. Da wurde der Offizier in die Stadt nach Brot geschickt. Er brachte ein wenig, aber was war das für so viele. An anderen Tage ging es weiter. Als wir an eine Station kamen, gingen Knaben herum mit Schreibpapier. Als wir und die Kosaken das gewahr wurden, da sprachen die Kosaken: „ а ну ка немцы ура“ wie sie das sagten, so ging es an die Körbchen, da raffte ein jeder. Als das die Gounwoi sahen, kamen sie gelaufen, aber bis sie kamen, da war schon ein jeder auf seinem Platze und die Gounwoi wurden nicht hineingelassen; so ging es öfters.
Als wir an eine andere Station kamen, war alles alle: kein Geld, kein Brot, garnichts! Da sahen wir eine Frau mit Lawasch. Da ging es hin zu ihr und um sie herum. Hunger hatten wir, aber kein Geld und im Kaukasus wird nichts geschenkt. Da machte sich einer auf, nahm einen Lawasch und heida in den Waggon; der Gounwoi ihm nach. Als er vor den Waggon kam, wurde er von den Soldaten nicht hineingelassen, da ging er herum und fluchte über die Soldaten. Endlich sah er diesen Soldaten zum Fenster herausschauen und kurz entschlossen stieß er nach ihm und stach ihn unters Auge; um einen Finger breit hätte er ihm das Auge ausgestochen. Dann ging’s zum Offizier. Der Offizier scholt den Gounwoi aus und gab ihm eine Ohrfeige, die Soldaten aber schrieben sich das hinter die Ohren.
Von Sarykamysch ging es zu Fuß nach Erserum. Da wurden wir noch ärger getrieben und gequält von den Gounwoi. Was wollten wir da machen?
Als wir aber die letzte Station verließen, da trug es sich zu, dass wir in der Nacht gingen, denn am Tage war es zu heiß. Als aber einige Soldaten müde wurden, wollten sie nicht weiter. Die Gounwoi trieben sie an und stießen sie herum. Der Offizier war ganz vorne.
Als es die Soldaten satt waren, gingen sie zur Seite, hoben Steine auf und es ging über die Gounwoi her; einige rissen aus zum Offizier. Einen aber hielten sie fest und klopften ihn so, dass er eine Zeitlang liegen blieb. Als der Offizier kam, schimpfte er uns aus, aber was war das, der hatte seine Sache.
S. Ring.
Kolonist Nr.68 Katharinenstadt, Sonntag, den 8 Oktober 1917
Марьяновка
Постоянный участник
Сообщения: 671
Зарегистрирован: 07 янв 2011, 11:11
Благодарил (а): 232 раза
Поблагодарили: 2828 раз

Re: Вести из колоний (по страницам старых газет)

Сообщение Марьяновка »

За что и за кого заставляли воевать российского солдата в Первую Мировую? Ответить на этот вопрос пытается Вальтер Бойе.

Eine Gotteslästerung.
In den englischen Kirchen wird nach dem Gottesdienste neuerdings von den Predigern ein Gebet für Russland gesprochen.
Wer Wind sät, wird Sturm ernten!
Die Einkreisungspolitik Eduards VII. ist daneben geraten! Sein Nachfolger Georg V. kann den Plan der Zerstückelung Deutschlands nicht ausführen. Das kleine Deutschland wehrt sich seiner Haut so gut, dass jetzt infolge der Anarchie im russischen Riesenreiche auch für England die Remesis (Verhängnis) am Horizonte emporsteigt. England ist in Not! Und die Not lehrt beten!
Sie beten für Russland:
„Herr, Du allein leitest den Willen der Menschen! Schau auf Russland im Jahre seiner Prüfungen. Wir stehen zu Dir, verleihe seinen Führern Weisheit und hilf ihnen, böse Eingebungen zu überwinden, erfülle ihre Herzen mit Tatkraft, dass sie das Wohl des gesamten Volkes über den Russen einzelner Parteien stellen! Seinem ruhmreichen Heere verleihe Disziplin. In den Herzen des ganzen russischen Volkes pflanze eine klare Erkenntnis der augenblicklichen Ereignisse.
Erleuchte mit Deinem Lichte alle, die gleich Blinden tastend den Weg suchen. Stelle Gericht und Gerechtigkeit her und lass Wahrheit und Freiheit in Russland verweilen. Schenke uns seinen Bundesbrüdern den Geist aufrichtiger Liebe zu ihm. Im Namen unseres Herrn Jesu Christi! Amen!“
Also wagen es die englische Prediger mit einer Gotteslästerung vor ihren Herrn und Heiland zu treten: „Wir flehen zu Dir, verleihe seinen Führern Weisheit. . . . . „ – damit sie das nach Frieden lechzende Volk in seine Schranken zurückweisen.
„Seinem ruhmreichen Heere verleihe Disziplin . . . . „ – damit es dein heiliges Gebot, du sollst nicht töten! Weiter verletze! Damit die Männer diesen Bruderkampf weiter führen, während ihre Frauen und Kinder im Lande verhungern!
„Schenke uns, seinen Bundesbrüdern, den Geist aufrichtiger Liebe zu ihm. . . „ – damit wir mit vereinten Kräften morden können!
„Im Namen unseres Herrn Jesu Christi . . . „ – gib Russland Kraft, seine besten Söhne für Elsass-Lothringen in den Tod zu hetzen, während die Bürger sich in Sibirien von Stroh nähren müssen, und die Mutter sehen muss, wie der Säugling, dem sie die Milch nicht mehr zuführen kann, den sie mit Schmerzen geboren hat, in ihrem Schöße, an ihrer Brust, verhungert!
„Im Namen unseres Herrn Jesu Christi . . . „ – lass dieses Blutvergießen weiter gehen, bis auch der letzte Geldsack der Kriegshetzer gefüllt ist. Wir hören ja nicht, wenn dem Mittellosen der Magen knurrt! Wir kennen ja nicht den Schmerz der Mutter, deren Kinder mit Tränen in den Augen um Brot bitten! Wir kennen ja nicht den Schmerz der Braut, deren Geliebter auf dem Schlachtfeld zum Krüppel geschossen wurde. Gib uns Kraft, dass wir diesen Raubkrieg siegreich zu Ende führen können.
Walter Boje.
Kolonist Nr. 84 Katharinenstadt, Mittwoch, den 15 November 1917
Марьяновка
Постоянный участник
Сообщения: 671
Зарегистрирован: 07 янв 2011, 11:11
Благодарил (а): 232 раза
Поблагодарили: 2828 раз

Re: Вести из колоний (по страницам старых газет)

Сообщение Марьяновка »

Beideck, Bezirk Kamyschin.
(Wir buchstabieren)
Pastor Günther ist ein starker Anhänger der alten Ordnung. Er strengt sich aus allen Kräften an, die alte Pastorengewalt wieder in seine Hände zu bekommen, sowohl in der Schule, als auch im Kirchspiel. In der Schule will er wieder das Buchstabieren eingeführt wissen, und er besteht auf die Einführung des Sickel-ABC-Buches, da die Wagnersche Fibel zu teuer sei. Wahrscheinlich hat er von diesen einfältigen Sickelbüchern noch eine Unmenge auf Lager und will die Zeit benutzen, um sie an den Mann zu bringen.
R.
Kolonist Nr. 85 Freitag den 17 November 1917

Kukkus, Bezirk Nowousensk
(Etwas über Schulwesen)
Im Sommer beschloss das Nowousensker Landamt 20 höhere Anfangsschulen im Bezirke in diesem Jahre zu eröffnen, wovon eine Schule für den Stahler (Stepnojer) Kreis bestimmt war. Im August wurde diese Schule der Stahler Gemeinde angeboten, wofür man 5000 Rubel leihweise auf ein Jahr verlangte. Die Gemeinde aber, ohne langes Nachdenken über die Wichtigkeit und den Nutzen solch einer Schule, wies dies Angebot ab. Dann machte man eine Anfrage an die Kukkuser Gemeinde, welche auf die Bedingungen des Landamtes sofort einging, und am 15. Oktober wurde die Schule schon eröffnet. Als Leiter derselben wurde Lehrer Johannes Weigand angestellt.
Man eröffnete in diesem Jahre nur die ersten zwei Klassen, woselbst auch schon ungefähr 50 Kinder eingetreten sind. Jetzt fehlen aber noch zwei Lehrer und passende Lehrbücher. Wir hoffen aber, dass sich dies alles in nächster Zeit günstig entscheiden wird.
Möge sie nun gedeihen. S.W.

Orlowskoi, Bezirk Nikolaewsk
Fast eine Anekdote.
Der Kandidat von Nr. 16 D. Pauli war mit Lehrer H. Lobes nach Hummel gekommen und versprach den Leuten goldene Berge und eine steinere Brücke; aber vom Lande wusste er nichts zu sagen. Der Soldat Hergert aus Orlowskoi war auch anwesend und bat ums Wort. Herr Lobes war dagegen, da Hergert ein Rebeller sei. Nachdem die Herren ihre Weisheit ausgekramt und ihre Nummer 16 empfohlen hatten, gab man Hergert doch das Wort, und er hatte kaum fünf Minuten gesprochen, da hieß es: „Ah, da sind das falsche Prophetn! Fast sie mal, die Jesuwiter!“ und man drang auf sie ein. Die nahmen Reißaus Herr Pauli sprang wider eine Frau und rannte sie über den Haufen, wobei er fortwährend rief: „Ihr Leut‘, lasst mich doch nor gehen, ihr könnt jo Nunero Eins wähle!“ Er versteckte sich in des Schulmeisters Wohnung hinter der Tür, wurde aber hier herausgeholt und verprügelt. Herr Lobes hätte in seiner Angst bald den Glockenstuhl umgerannt: er lief durch die Straße und trieb eine Schar Frauen vor sich her, die in Angst vor ihm flüchtete. Endlich klopfte er an einem Hause an und fragte, ob jemand drin sei. Als das bejaht wurde, ging es weiter, durch den Grabe, hinüber nach Bohn, wo er übernachtete. Im Graben war er vom Wege und in einen Sumpf geraten. Erst am andern Morgen brachte man ihn wieder nach Orlowskoi. Herr Pauli war nach dieser Probe die Luft vergangen, wieder auf einer Gemeindeversammlung zu sprechen, obgleich er sie angesagt hatte. Er war übrigens für seine Lüge, die er sich bei uns in Gegenwart des Herrn Schleuning gegen Müller geleistet hatte, bestraft worden. N.N.
(Bemerkung der Redaktion)
Dass Herr Pauli in Orlowskoi auf einer Versammlung ganz unverschämt gelogen hat wurde uns auch gesagt. Nun dafür hat er ja auch in der ganzen Umgegend den Zunamen „der Lügepauli“. Man kann Nr. 16 zu solch einem Kandidaten gratulieren.
Dass man aber gegen die Redner tätlich vorging, da müssen wir entschieden verdammen. Das ist falsch verstandene Freiheit: das ist ja die alte Gewaltherrschaft. Man muss auch den Gegner ruhig anhören und keine andere Waffe gebrauchen als die des Wortes.
Kolonist Nr. 85 17 November 1917

Diebstahl.
Am 28 Oktober wurde bei Peter Zitzer in der Uferstraße ein Diebstahl verübt, als dieser zwischen 7 und 8 Uhr abends, wie gewöhnlich um diese Stunde, in der Brüderversammlung war. Zu Hause waren nur die Schwiegertochter eine geborene Riemer und Zitzers 13 jähriger Sohn. Die Schwiegertochter ging hinaus in den Hof; als sie hereinkam, bemerkte der Junge, dass ein Mann mit hereingekommen war, er machte die Schwiegertochter darauf aufmerksam, doch diese verneinte es. Da wurde es in der Schlafstube laut, es gab Rumor beim Aufbrechen. Wieder machte der Junge sie darauf aufmerksam, sie gebot ihm jedoch zu schweigen, es sei der Vater. Da schloss auch schon die Geldkasse. Da wurde es dem Jungen bang und er sagte: „Schwägerin, bei uns ist ein Dieb“. Diese hieß ihn wieder schweigen. Als der Dieb das Haus verließ, sagte der Junge: „Eben ging der Dieb hinaus“. – Ja, sagte die getreue Schwiegertochter, „und noch einer mit einem Bart“, und lachte. Da kamen der Vater und der 17 jährige Sohn nach Hause. Der Junge erzählte ihnen alles. Sofort wurden Milizionäre geholt, die die beiden verhörten. Die Schwiegertochter nahmen sie mit in das Milizlokal. Einige Milizionäre gingen zum David Günther, der früher beim Zitzer arbeitete und vor kurzem mit der Schwiegertochter nach Saratow gefahren war, um dieser zu beim Schuhkaufen zu helfen. Die Milizionäre machten Haussuchung bei ihm und fanden die Photographie der Schwiegertochter bei ihm. Günther wurde verhaftet und ebenfalls in das Lokal der Miliz geführt. Dort gestand die Schwiegertochter, dass Günther das Geld habe und dass sie ihm den Weg gezeigt habe. Zitzer bekam sofort seine 1800 Rubel wieder zurück.
Kolonist Nr. 87, 22 November 1917
Марьяновка
Постоянный участник
Сообщения: 671
Зарегистрирован: 07 янв 2011, 11:11
Благодарил (а): 232 раза
Поблагодарили: 2828 раз

Re: Вести из колоний (по страницам старых газет)

Сообщение Марьяновка »

Dinkel, Bezirk Nowousensk
Am 12, 13 und 14 November fanden in Dinkel die Wahlen in die Gründungsversammlung statt. Das Ergebnis derselben ist folgendes: Für die Liste
Nr. 1 wurden 376 Stimmen abgegeben
Nr. 2 – 35
Nr. 3 – 30
Nr. 5 – 5
Nr. 6 – 2
Nr.9 – 2
Nr. 15 – 1
Nr. 16 – 149
Insgesamt: 600 Stimmen
An diesen Wahlen beteiligten sich die Dinkler Bürger bedeutend reger, als an den Wahlen in die Kreis- und Bezirkslandschaft. Ein Beweis dafür, dass diese Wahlen sehr ernst genommen wurden. Ferner, wie wir oben sehen, sind die meisten Stimmen für die deutsche Sozialistenliste Nr.1, abgegeben worden. Trotz aller Mühe, die man sich gab, den Leuten einen Ekel für die Sozialisten einzuimpfen und andere Parteien in ein vorteilhaftes Licht zu stellen, gelang es doch nicht die Wähler irre zu machen. Dieser Umstand liefert uns wiederum den klaren Beweis, dass unsere Bauern ein feineres Gefühl haben, wie manche wähnen, und genau zwischen Feind und Freund zu unterscheiden wissen.
Was hat Herr Schleuning nun in Dinkel mit seiner hochtrabenden deutschen Rede erzielt. Das Resultat ist klar: die meisten Stimmen sind für diejenigen abgegeben worden, die, nach H. Schleunings Ausdruck „kaum drei zählen können“ und „für Geld sprechen“.
Herr Schleuning weiß augenscheinlich noch nicht, dass es nicht die Hauptsache ist, wie man spricht, sondern, was man spricht. Letzteres haben die Sozialisten besser verstanden. Probatum est!
P. Ries.

Mannheim, Bezirk Nowousensk.
Am 12, 13 und 14 November fanden bei uns die Wahlen in die Gründungsversammlung statt. Die Ordnung war ausgezeichnet. Es war erfreulich am 12 November zu sehen, wie alte Hausväter und Hausmütter mit ihren Gesangbüchern unter dem Arm, auf dem Wege zur Kirche ins Schulhaus eintraten, einen Briefumschlag bekamen und ihre Wahlzettel schweigend und mit zitternder Hand in die Urne verschwinden ließen. Den 13. Und 14. kamen nur noch einzelne Wähler. Auch denen sah man es an, dass sie den Schritt, den sie jetzt tun, für ernst und feierlich ansahen. Überhaupt beteiligten sich die Bürger von Mannheim sehr eifrig an den Wahlen. Das Resultat der Wahlen ist folgendes: von 646 Wählern haben 583 ihre Zettel abgegeben; von denen haben für die Sozialisten Nr. 1 – 505 gestimmt;
Nr. 2 – 20
Nr. 3 – 15
Nr. 4 – 3
Nr. 16 – 40
Die ausgebliebenen Wähler sind meist abweichend und kranke gewesen.
Wie hat mich das gefreut, dass auch hier sich das Sprichwort: „Was man säet, das wird man ernten“ erfüllt hat; denn jetzt bin ich überzeugt, dass meine Worte nicht verloren gingen, sondern auf fruchtbaren Boden fielen.
Nun möchte ich der Mannheimer Gemeinde zurufen:
„Haltet fest an der Wahrheit und an unsere Retter, den Sozialisten, den Vertretern der Wahrheit. Die Wahrheit allein wird siegen, obgleich sie uns oft durch Dornen und Diestel führt!
Schriftführer der Wahlkommission Gustav Günther.
Kolonist Nr. 90



Eckheim. Bezirk Nowousensk.
Die Wahl in die Gründungsversammlung fand in unserem Kreis ohne besondere Vorbereitung statt, aber doch mit einem echten Sieg der Sozialisten. Kurz vor der Wahl fand bei uns eine Gemeindeversammlung statt. Da wurde u.a. auch verhandelt, für welche Nummer am nützlichsten zu stimmen sei. Herr A. Mühlberger hielt eine Rede und wies darauf hin, dass es für uns Bauern am besten sei, für Nr. 16 zu stimmen. Der Vorsitzende in unserem Kreislandamt Herr H. Maus machte die Zuhörer mit den Kandidaten der Nr. 16 und Nr. 1 bekannt und bat einstimmig für Nr.1 zu stimmen.
Aus diesen zwei Gegenreden wurde es den Zuhörern klar, für wen sie zu stimmen hatten. In Beideck war die Agitation sehr ähnlich. Aber Dank den besonderen Bemühungen des Herrn H.K. wählten mehr als drei Viertel aller Wähler für Nr. 1. In ganzem nahmen Anteil an der Wahl 1256 Wähler, von diesen stimmten für die sozialistischen Parteien 1015.
B.
Kolonist Nr. 90

Friedenberg, Bezirk Nowousensk.(zu den Wahlen in die Gründerversammlung)
Am 9. November, während alle Leute an ihrer täglichen Arbeit waren, luden sie Glocken uns Friedenberger Bürger in das Bethaus ein. Viele Frauen brachten ihre Gesangbücher mit. Als die Glocken zum dritten Male läuteten, erschien in Bürgerkleidern der Pastor Seidlitz, trat an den Altar und, nachdem das Lied „Eine feste Burg ist unser Gott“ gesungen war, fing er ohne zu sagen, ob er eine politische oder andere Rede halten wolle, an, die Sozialisten zu beschimpfen. Die ersten der Gebote (Satzungen) von Schilling, in welchen die deutschen Bürger eine demokratische Republik verlangen, sowie auch andere Fragen, gingen ganz gut zu erklären, und die Gemeinde war damit ganz einverstanden, als aber die National- und Landfrage an die Reihe kamen, fing der Pastor an zu schimpfen und sagte, die Frage sei so ernst „entweder biegen oder brechen“. Das kadettische Landprogramm erregte die Unzufriedenheit der Gemeindeglieder.
Es fanden sich einige Gemeindeglieder, welche den Bürgern erklären wollten, dass die Nationalfrage von der russischen Demokratie durch die Revolution schon zu Gunsten des arbeitenden Volkes entschieden ist und dass die Landfrage nur durch das gesetzlich durchgeführte Programm der Sozialisten – Revolutionäre zu Gunsten der Bauern gelöst werden kann. – Doch der Herr Pastor forderte die Kirchenvorsteher und den Dorfältesten auf, es nicht zuzulassen. Nachdem aber einige junge Männer auf ihr Recht als freie Bürger bestanden, erklärte Pastor Seidlitz, er verlasse nun die Gemeinde. Dadurch rief er unter den alten Gemeindegliedern, die sich in politischen Fragen nicht im geringsten zurechtfinden können und dem Herrn Pastor alles glauben – einen solchen Tulmult hervor, dass es nicht mehr möglich war für jemand zu reden.
Es ist eben zu bedauern, dass die Hetzarbeit, welche früher von den Dienern des gewesenen Kaisers ausgeführt wurde, jetzt manchmal von dem Seelsorger besorgt wird.
Pastor Seidlitz warnte auch vor den „Schwärmern“, die den Klassenkampf predigen, man solle ihnen keinen Glauben schenken, denn die verfolgen nur ein Ziel – Unfrieden in der Gemeinde hervorzurufen, solche Menschen seien Wölfe in Schafskleidern. Der Leser wird ja gut verstehen, wer in diesem Falle der Wolf ist.
R.
Kolonist Nr. 90

Graf. Bezirk Nowousensk
(Feuersbrunst.)

Sonntagabend, den 12 d.M. brach im Hinterhofe des hiesigen Einwohners Jakob Schmidt Feuer aus, das in kurzer Zeit einen Haufen Stroh und eine Schuppen zerstörte. Der Wind war dabei so heftig, das die Funken weithin flogen, sodass das halbe Dorf in größter Gefahr stand. Nur dem eifrigen Bemühen unserer Leute gelang es, das Feuer zu lokalisieren und, wie man glaubte, ganz zu löschen. In der Nacht fing es jedoch aufs Neue an zu brennen. Diesmal wurde es ganz gelöscht. Da diese Feuersbrunst schon die dritte ist, die in diesen Jahre unser Dorf heimsucht, so muss man allen Leuten dringend anraten, nicht nur selbst vorsichtig mit dem Feuer umzugehen, sondern auch den Kindern einzuschärfen, keine tollen Streiche damit zu machen, wie dies zuweilen vorkommt.
Fr. Bach.
Kolonist Nr. 90




Schwed, Bezirk Nowousensk
(Wer nicht hört muss fühlen)
In der vorigen Woche stahlen in Schwed zwei Burschen Tabak. Sie wurden dabei ertappt und wurden dann in Begleitung der Miliz und des Büttels(судебный исполнитель) mit der Glocke, mit dem gestohlenen Tabak, im Dorfe umher geführt.
N Kosnier
Kolonist Nr. 90; 29 November 1917
Марьяновка
Постоянный участник
Сообщения: 671
Зарегистрирован: 07 янв 2011, 11:11
Благодарил (а): 232 раза
Поблагодарили: 2828 раз

Re: Вести из колоний (по страницам старых газет)

Сообщение Марьяновка »

Die echten Deutschen.
Das es echte Russen gab und noch gibt, deren Ziel es ist, die Wahrheit durch Programme zu unterdrücken, wusste ich schon lange, denn wir alle haben ja genug gehört und gesehen von den schwarzen Taten dieser schwarzen Helden. Dass diese Partei auch einige Anhänger unter den Deutschen hatte, wusste ich auch; dass aber eine ganze Gemeinde sich zu dem Programm dieser Fausthelden bekennt, habe ich erst durch die Volkszeitung erfahren. Der Beschluss der Gnadentauer Gemeinde ist eine Kopie von dem Programm jener schwarzen Helden. Wenn das, was in der Volkszeitung gesagt ist, voll und ganz auf Wahrheit beruht, und der Beschluss von allen Bürgern der Gemeinde unterzeichnet und gutgeheißen wurde, (woran ich fast zweifeln möchte), so bleibt der Gnadentauer Gemeinde nur noch übrig, sofort einen zweiten Beschluss abzulassen und zu bitten, dass Nikolaus sofort als Kaiser eingesetzt werde mit all seinem Erfolge, mit allen Tyrannen bis herunter auf den Semski Natschalnik und dann sollte die Gemeinde Gnadentau einen von der ersten Sorte ganz allein für sich haben; denn wer keine Freiheit will, sie nicht anerkennt, für den muss die
Knute und die Knechtschaft sein. Besonders fällt einem auf, dass man in Gnadentau nichts weiß oder, besser gesagt, nichts wissen will, von dem Auftreten der linken Parteien gegen das Mordgesetz, welches die Kadetten und Oktobristen für uns ausgearbeitet hatten.
Wenn der einfache Bauer davon nichts wusste, so hätte doch der Schreiber des Artikels es wissen sollen, oder will er die Worte dieser Redner etwa wegleugnen? Will er das, was wir ihm jetzt noch schwarz auf weiß beweisen können, aus der Welt schaffen, wie er solches den Sozialisten droht, die nach Gnadentau kamen, um für Nr. 1 Propaganda zu treiben.
Nun die Wahrheit lässt sich nicht mit und durch Gewalttaten unterdrücken und aus der Welt schaffen. Tausende sind für die Wahrheit und Freiheit gestorben, und keine Macht der Welt konnte sie abhalten für ihre Brüder zu kämpfen, sollte nun solches der unsinnige und ohnmächtige Beschluss der Gnadentauer Gemeinde fertig bringen. Nein nie und nimmer, und nur ein Träumer kann noch Notiz nehmen von solch einer Seifenblase. Pastor Schleuning lobt die Einigkeit der Gnadentauer Gemeinde; er begrüßte sie und spornt sie an zu Gewalttaten, denn er sagt: „Da ist es doppelt erfreulich, wenn in diesem allgemeinen Wirrwarr einzelne Gemeinden fest und sicher (also mit der Faust) auftreten und gegen den Unfug Stellung nehmen.“ Dieses alles empfiehlt der Pastor auch anderen Gemeinden und ruft noch einmal aus: „Das ist das Erfreuliche am Gnadentauer Beschluss!“ Ach wie schön, wie erfreulich wäre es, wenn doch alle Gemeinden schon so weit wären, dann, ja dann käme Schleuning in die Gründungsversammlung. Doch ach, es ist ja nur ein Traum! Denn von allen Gemeinden hat nur Gnadentau allein auf die Stimme des treuen Hirten gehört.
In einem seiner Artikel macht Herr Schleuning unseren Kolonisten eine große Rechnung vor, über die Ausgaben der Lehrerkonferenz in Pokrowsk und will natürlich das Volk dadurch gegen die Lehrer aufhetzen. Nun rechnen können wir auch und zwar: Pastor Schleuning hat nun etwa 30 Leitartikel geschrieben und dafür 3000 Rubel bekommen, also für jeden Artikel 100 Rubel. Wenn jeder Artikel durchschnittlich 850 Worte hat, so kommt jedes Wort, das der H. Pastor scheibt etwas über 11 Kopeken. Nehmen wir an, dass Schleuning 2 Stunden nötig hat, um solch einen Artikel zu schreiben, so bekommt er für jede Arbeitsstunde 50 Rubel. Würde er acht Stunden arbeiten, so bekäme er täglich 400 Rubel, und dieses Geld zahlen auch nicht die Amerikaner, sondern unsere Kolonisten. Jedes Wort, das Herr Schleuning an und für die lieben Kolonisten schreibt, kostet 11 Kopeken, da sollte man das genau bedenken, was man schreibt, damit die Leser nicht für ihr Geld zu viel leere Worte bekommen.
Wenn H. Schleuning die Lehrerschaft angreift, so werden wir gegen ihn kämpfen, öffentlich mit ehrlicher Waffe; ruft er aber zum Faustkampfe und hetzt das Volk gegen uns auf, dann ist er kein ehrlicher Gegner, und wir werden seine Angriffe unbeachtet lassen.
Freimann.
Kolonist Nr. 91

Die Frau des Kolonisten.
Am 17. November nachts kam der hiesige Einwohner zu Balzer Johannes Bender, der im 54. Lebensjahr steht, betrunken nach Hause. Als er in die Stube trat, wollte er seine Frau, die krank im Bette lag, an den Beinen aus dem Bette ziehen. Seine 84-jährige Mutter sprang auf und wollte ihn daran verhindern, indem sie ausrief: „Aber Hannes, sie wird dir ja sterben!“ Da kehrte sich der saubere Sohn gegen seine Mutter, schleuderte sie an den Haaren gegen den Ofen, ergriff einen Stuhl und schlug ihr damit solange auf den Kopf, bis ihr das Blut über das Gesicht strömte. Wolhynierkinder, die in derselben Stube schliefen, rannten auf die Soffe und schrien um Hilfe. Der herzueilende Christian Bauer verhinderte den entarteten Sohn vor weiteren bestialischen Grausamkeiten gegen seine alte Mutter.
So sieht die Kindesliebe bei vielen Kolonisten aus. „Vor einem grauen Haupte sollst du aufstehen . . . . „ das hat Johannes Bender mal vor vielen, vielen Jahren in der Schule gelernt. Jetzt erhebt der Sohn die Hand gegen seine alte weißhaarige Mutter, der er sein Dasein zu verdanken hat. Aber so sind viele unsere Kolonisten, sie haben den Heiland auf den Lippen und den Teufel im Herzen. Es gehört beinahe zur Tagesordnung in unseren Kolonien, dass irgendwo der Mann seine Frau schlägt. Was ist die Frau auch? Sie ist weiter nichts als das Arbeitstier des Mannes, der Sklave seiner Lüste, der Spielball seiner Launen. Sie darf sich vom Morgen bis zum Abend müde arbeiten, denn sie ist ja nur eine Magd, eine billige Arbeitskraft. Und dafür darf sie sich abends auch noch schlagen lassen. Wieviel Verworfenheit mag dazu gehören, die Hand gegen seine Frau zu erheben, die man doch aus Liebe geheiratet hat. Die Frau ist die Kameradin des Mannes, er soll sie hegen und pflegen, gleichwie sie ihn hegt und pflegt. Sie ist nicht nur die Mutter und Erzieherin seiner Kinder, sie ist auch seine Genossin, seine Freundin. Schande über den der seine Frau schlägt! Fluch über den der seine Hand gegen seine Mutter erhebt!
Nicht besser geht es in vielen Fällen dem Sohne und der Tochter. Der Sohn ist meistens auch nur ein besserer Knecht, und nur zu oft wird die erwachsene Tochter im Hause ihrer Eltern zur Magd heruntergedrückt und demensprechend behandelt.
Lieber Leser achte mal auf das Verhältnis der Frauen zu ihren Männern, du wirst leider nur zu oft finden, dass ich Recht habe.
Es wäre wirklich wünschenswert, dass gegen die allzugroße Gewalt des Mannes in der Familie, eingeschritten würde, denn die Männer sind durchaus nicht immer die Herren der Schöpfung, am allerwenigsten, wenn sie betrunken wie ein Vieh im Schnapsdusel die Hand gegen das schwächere Geschlecht erheben.
Na, hoffentlich verhilft die Revolution den Frauen zu etwas mehr Rechten als sie bisher besaßen. Das Recht, sich schlagen zu lassen, besitzen sie jedenfalls nicht!
Walter Boje.
Kolonist Nr. 91 Freitag, den 1. Dezember 1917

Boaro. Bezirk Nikolajewsk
(Grober Unfug)

In Boaro ist es immer noch nicht zu Ruhe gekommen. Dort machen sich die Kadetten breit. Der Kampf geht zwischen zwei Klassen: den ärmsten Bauern zusammen mit den entlassenen Soldaten einerseits, die die Mehrheit bilden, anderseits ein Häuflein Kadetten. Am 4 November erhielt die Katharinenstädter Miliz eine Vorschrift vom NIkolajewskschen Komitee der öffentlichen Sicherheit, den Streit zwischen dem von der Gemeinde neugewählten Komitees und dem alten. Am 16 November begab sich das Mitglied des Nikol. Komitees K. Bauer zusammen mit dem Gehilfen des Milizionärs Gottfried und zwei Milizionären nach Boaro. Die Gemeindeversammlung verlief recht stürmisch, fast wäre es zu Schlägerei gekommen. Endlich einigte man sich doch, über alle Streitfragen abzustimmen. Am anderen Morgen beschloss man zu ballotieren. Das Präsidium wollte schon in Gegenwart des Mitgliedes des Nikol. Komitees für öffentliche Sicherheit K. Bauer zum Ballotement schreiten als ein Häufchen Raufbolde und Mitglieder des alten Komitees unter Zustimmung des Vorsitzenden Franz und des Sekretärs G. Lieder hervorstürzte und Herrn Bauer überfielen, dem es nur mit Hilfe der anderen Bürger gelang sich zu retten.
Diese Herren wollen wieder ein Gesetz nach eine Regierungsgewalt anerkennen. Auf sie kann nur bewaffnete Gewalt einwirken. Und diese wird unbedingt kommen und wird Hindernisse vom Wege zum friedlichen Leben wegfegen.
K. Bauer.
Bemerkung der Redaktion
Solange werden sich wohl die Boaroer von dem kleinen Männchen verhetzen lassen, die ihnen das Unglück im Nacken sitzt. Ein Unglück aber ist es, wenn Soldaten hinkommen, und eine Schande für eine deutsche Gemeinde. Sie wollen keinen Gebrauch machen von der Freiheit der Vernunft, sie wollen die Knute. Leider ist nur zu wahr, was unlängst hier von Schreiber Linder berichtet war. Er allein ist schuld, dass die einst so friedliche Gemeinde jetzt aus Rand und Band ist. Und es wird auch keinen Frieden geben, solange man diesem Herrn nachtut.

Anselmowka, Gouver. Minsk.
(Wie die Schnapsbrenner vorgehen.)

Bei uns im Dorfe gibt es weder Kirche noch Schule. Die Leute sind des Schreibens unkundig, und es herrscht überhaupt große Finsternis. Da hat sich nun vor kurzem ein Verein gebildet, der für das Gute sorgen und nach der Ordnung sehen will. Er versorgt auch die Landlosen mit Mehl und verfolgt die Schnapsbrenner.
Vor einiger Zeit unternahm der Verein zusammen mit dem Dorfältesten bei Nacht eine Haussuchung bei dem sogenannten „Brennkönig“, der schon seit Jahren dieses Geschäft betreibt. Man fand glücklich die Maschine und den Besitzer, der um Nachsicht flehte und versprach, das Schnapsbrennen zu unterlassen, die Maschine vor unseren Augen eigenhändig zu zertrümmern.
Am 19. Oktober versammelten sich nun die Schnapsbrenner, setzten den Vorsitzenden des Dorfkomitees ab und wählten sich den Konkurenten des „Brennkönigs“ zum Vorsitzenden. Der versammelte seine Schnapsbrüder um sich, etwa 14 Mann und hielt folgende Rede: „Liebe Brüder! Von heut an habt keine Furcht mehr, dass man euch festnehmen wird mit euren Maschinen. Tut so, wie es euch beliebt. Wenn jemand bei mir über euch klagen sollte, den lasse ich sofort verhaften.“
Der Mann gehört natürlich auch zu denen, die nicht schreiben können, und begreift die Freiheit auf seine Weise.
L.L.
Schöntal bei Omsk.
Am 1. November wurde auf der Gemeindeversammlung die Frage über kulturelle und politische Aufklärung im Dorfe besprochen. Die Gemeinde beschloss, aus dem Verlage des „Kolonisten“ Literatur zu verschreiben sowie die Zeitung „Prawda“. Zur Unterstützung des „Kolonisten“ wurden 20 Rubel 45 Kopeken gesammelt. Die örtlichen Lehrer verpflichteten sich zweimal wöchentlich in den Räumen der Schule die Bevölkerung über die politischen Ereignisse im Reiche in Kenntnis zu setzen.
Überhaupt ist das Interesse zu den Tagesfragen bei unserem Volke sehr groß.
Lehrer B. Stur.
Kolonist Nr. 91; Freitag, den 1 Dezember 1917
Марьяновка
Постоянный участник
Сообщения: 671
Зарегистрирован: 07 янв 2011, 11:11
Благодарил (а): 232 раза
Поблагодарили: 2828 раз

Re: Вести из колоний (по страницам старых газет)

Сообщение Марьяновка »

Der Zweck heiligt die Mittel?
Der Wahlkampf ist nun vorüber und da ich in diesem Kampfe so manche Erfahrungen gemacht habe, die uns für die Zukunft nützlich sein kann, so will ich einiges von dem Erlebten meinen Kampfgenossen mitteilen.
Im Kampfe lernt man seine Gegner kennen. Dass die „Echte Deutschen“ und ihre Anhänger, nicht ganz offen und ehrlich kämpfen würden, wusste ich, denn wenn sie dem Volke die Wahrheit gesagt hätten, so hätte ja Nr. 16 nur auf die Stimmen der Kapitalisten, Spekulanten, Gutsbesitzer und Händler und einiger Großbauern rechnen können. Kein Arbeiter oder Bauer hätte für die Advokaten der Saratower Kapitalisten gestimmt.
Es wurden deshalb verschiedene Wege und Mittel ausfindig gemacht, um das Volk irre zu führen. Man huldigte ganz dem jesuitischen Wahlspruche: „Der Zweck heiligt die Mittel!“
So hat sich in Laub der berüchtigte Schulmeister Benner ausgezeichnet, indem er wiederholt in der Schule Agitationen für Nr.16 getrieben hat. Es fanden sich aber in Laub Männer, die diesen sauberen Herrn gründlich entpuppten. Er wurde vor die Versammlung der Sozialisten geladen, und musste sich verantworten. Auch jetzt wollte er, wie immer die Wahrheit auf den Kopf stellen, was ihm aber diesmal nicht gelungen ist, er wurde durch Zeugen überführt. So wurde auf dieser Versammlung bewiesen, dass dieser Herr durch Drohung die armen Leuten zwingen wollte, die erwünschte Nr. zu schreiben. „Wenn ihr nicht schreibt, was ich euch sage bekommt ihr kein Korn aus dem Magazin“.
Also verhungern sollten die Deutschen, wenn sie nicht den Kapitalisten folgen würden.
Das heißt man ehrlich kämpfen. Diesem Herrn ist es aber doch zu verzeihen, da derselbe, nach dem Anspruch Dekanats etwas beschränkt, und das Wörtchen „ehrlich“ für ihn ein Fremdwort ist; wenn dem nicht so wäre, würde er sich längst vor Gericht gereinigt haben, aber er fürchtet sich vor demselben, wie eine Nachteule vor dem Licht, und deshalb muss er sich’s eben gefallen lassen, dass ihn jeder Mensch bei seinem Namen nennt. Ungeachtet dieser Kniffe und Lügen hat aber dieser Herr selbst die unmündigen Schulkinder mit seiner Lüge nicht verschont, ist gelinde gesagt – unverschämt.
Herr Schleuning besuchte mit seinem Gefolge auch die Tarlyker Gemeinden. In Straub soll er gut gesprochen haben, schade dass ich dieser Versammlung nicht beiwohnen konnte, doch hatte er einen Gegner gefunden der ihn beim rechten Namen nannte. Lehrer Rudolf traf den Nagel auf den Kopf, und deshalb spricht sich H. Schleuning recht verächtlich über denselben in der B. Zeitung aus.
Nun dieser Herr, der „nur jene Sätze und sehr mangelhaft in deutscher Sprache gesagt hat“ (Worte Schleunings) besiegte den berühmten S. echt-deutschen Mann und Redner gänzlich, denn Nr. 16 bekam ganz wenig Stimmen. Es komm eben nicht aufs Schönreden an, sondern auf die Wahrheit. Schleunings Gefolge war schon der klarste Beweis, für wen es eintreten werde. Blutsauger und die berühmtesten Spekulanten des Tarlyker Kreises umringten ihn, und die Bauern sahen gleich, wessen Geselle und Advokat H. Schleuning ist. Wenn H. Schleuning ein gutes Mittagessen von diesen Herren bekommen hat, so war sein Weg doch nicht ganz umsonst, aber mit seinem „Schönreden“ ist er gänzlich durchgefallen. Lehrer Rudolf aber, der ungeachtet dessen, dass sein Vater ein reicher Mann ist und alle Kapitalisten in Straub seine Verwandten sind, die Interessen seiner armen Brüder vertritt und sich nicht vor dem goldenen Kalb beugt, sondern Geld und Freundschaft für das Wohl seiner Brüder opfert, er steht viel zu hoch und ist viel zu treu, als dass ihn Schleuning mit ein paar verächtlichen Worten erniedrigen könnte. Es ist immer so gewesen, dass, wer seinen Gegner gering schätzte und verachtete, dadurch den klaren Beweis seiner Ohnmacht gab, und selbst besiegt wurde, so auch Schleuning.
In Jost hielt ich zwei Versammlungen ab; als treuer Diener der Pastoren, trat Schulmeister Reuss auf, doch hat er wahrscheinlich das schon oft bereut, denn die Bürger von Jost sind den Kinderschulen entwachsen und lassen sich mit Kindermärchen nicht so leicht abfertigen. Fast alle Bürger beteiligten sich an den Wahlen und die Listen Nr.1 siegte vollständig. In Lauwe stimmten die meisten Bürger für Nr. 16. Diese Gemeinde konnte ich nicht besuchen und kein Mensch trat für Nr.1 ein. Ob sie recht oder irre geführt wurden, davon können sich die Bürger dieser Gemeinde überzeugen aus den Reden, die in der Gründungsversammlung gehalten werden. In Kukus hatte ich als Gegner den Sozialisten Sinner, also – Sozialist gegen Sozialist und die ganze Sache war etwas lächerlich. Sinner sagte: „Ich bin auch Sozialist, aber ich rate euch, geht nicht mit den Sozialisten“. Damit hat Sinner alles gesagt und seinen politischen Glauben bekannt gemacht. Und das heißt man: „sich selbst durchhauen“. Zweimal kreuzten wir die Waffen und dass Sinner besiegt wurde, beweisen die Stimmzettel bei den Wahlen. In Stahl siegte Nr.16 und zwar weil hier ein besonderes Vorurteil gegen die Lehrer sich eingeschlichen hat, das in so kurzer Zeit nicht aufgeklärt werden konnte. In Brabander bekam Nr.16 nur 9 Stimmen und in Langert und Teller siegte Nr.16.
Wie auch die Wahlen ausfallen mögen, eins freut mich und zwar, dass wir treu und fest für unsere Brüder gekämpft haben und nicht Verräter an unserem Volk geworden sind. Schleuning freut sich, dass endlich Russland seinen Verbündeten wortbrüchig geworden ist und will sich nicht mehr länger als Kanonenfutter gebrauchen lassen, um für England die Kastanien aus dem Feuer zu holen.
Also – Wortbruch ist unter gewissen Umständen und Verhältnissen eine Heldentat und zwar dann, wenn man zur Überzeugung kommt, dass der Bundesgenosse ein Schurke ist. Auch wir kamen noch zur rechten Stunde zur Einsicht, dass die S. Herren uns nur ausnutzen wollten um ihre kapitalistischen Interessen zu sichern und deshalb haben wir gebrochen. Hätten wir es nicht getan, so wären wir nichtswürdige Verräter, und unser Volk müsste uns verfluchen. Nun können wir aber Freund und Feind offen ins Auge schauen und sagen: Wir sind unserem Wahlspruch und dem Volk nicht untreu geworden, sondern haben treu gekämpft, werden es auch in Zukunft tun. Allen, die ein Herz für ihre armen Brüder haben, allen die freie Männer sein und bleiben wollen, rufe ich zu: „Kämpfe tapfer weiter – denn im Kampfe erwirbst du dein Recht. Das Rech, das dir die Saratower Kapitalisten nehmen wollen – das Recht ein freier deutscher Mann zu sein!!
Freimann.
Kolonist Nr.96 13 Dezember 1917


Eingesandt.
Sehr geehrte Herr Redakteur!

Gestatten Sie mir, Ihnen einiges über die „Gefangenenfrage“ mitzuteilen.
Unter der Angabe, dass es den in Deutschland befindlichen russischen Kriegsgefangenen auch so ergehe, findet man sehr oft in den Zeitungen Nachrichten über Ausschreitungen und Maßnahmen gegen die Kriegsgefangenen. Ich erinnere nur an den von Ihnen selbst berichteten Fall, wo man Kriegsgefangene der Brandstiftung beschuldigte. Ferner gibt es einen Minister-Erlass, dass kein Gefangener pro Tag mehr als 20-50 Kopeken verdienen darf; sodann die schon vieler Orts durchgeführte Revision der Gefangenen in Bezug auf Geld, Kleidungsstücke, Wäsche, Schuhwerk usw.
Was den 1. Punkt, die Verhältnisse der Kriegsgefangene in Deutschland betrifft, kann ich persönlich (da ich seit Juli 1915 nicht mehr zu Hause war), nur berichten, was ich von zurückgekehrten russischen Kriegsgefangenen, sowie von frischgefangenen Kameraden, die noch im August d.J. in Deutschland waren, gehört und erzählt bekommen habe. Sowohl nach diesen Angaben, als überhaupt schon durch den gesunden Menschenverstand sind danach die Erzählungen vom „Abschneiden der Nase und Ohren“, das „vor die Pflüge spannen“ und das „Brot und Stroh“ absolut ins Reich der Fabel zu verweisen.
Tatsache ist, und unser Frauen und Kinder müssen darunter auch ebenso leiden, dass der Brotration klein ist. Was dagegen die sonstige Verpflegung, Reinlichkeit in Bezug auf Schlafen, Essen, Wäsche, Baden, Desinfektion und Gesundheitsverhältnisse betrifft, habe ich bisher nur Anerkennendes gehört. Die weitgehende persönliche Bewegungsfreiheit, die wir seit Beginn der Revolution hier in Russland genießen, existiert in den Städten bei uns bei weitem nicht; findet wohl überhaupt nicht ihresgleichen in einem der anderen kriegführenden Staaten. Wie viele meiner Kameraden berichte ich über diesen Punkt nach Hause, um vielleicht dadurch etwas Besserung in dieser Beziehung herbeizuführen.
Um nun der Behauptung aber, dass abgesehen von dieser persönlichen Bewegungsfreiheit, es den Kriegsgefangenen in Russland zu wohl gehe, wenigstens etwas entgegenzutreten, möchte ich mir erlauben, noch kurz das Nachstehende anzuführen:
Gleich nach meine Gefangennahme habe ich 5 Monate auf einer „Dekonomie“ im Kursker Gouvernement arbeiten müssen unter solch‘ mißlichen Verhältnissen, (abgesehen von dem Tagesverdienst von 10 Kopeken bei 16 Stunden Arbeitszeit) wie sie in Deutschland kein Gefangener gezwungen sein wird durchzumachen.
Zur Illustrierung der sanitären Verhältnisse möchte ich Ihnen mitteilen, dass in einer so kleinen Durchgangsstation wie Jekaterionoslaw von 700-800 Mann Besatzung im Laufe des Sommers täglich durchschnittlich 16-17 Mann an Typhus gestorben sind.
Im allgemeinen sind die Verhältnisse in diesen Lagern, Sammelstationen usw. äußerst schlecht, wenngleich seit Beginn der Revolution schon wertliche Veränderung zum Besseren eingetreten ist – das den in Fabriken, Gruben und Gewerken beschäftigten Gefangenen die Lebensverhältnisse etwas erleichtert sind, ist doch wohl nicht mehr als billig und recht. Wie viele Gefangene arbeiten in Bergwerken, Eisenfabriken, Kohlengruben usw. unter Gefährdung von Leben und s.w. der Gesundheit für einige Kopeken. Und wenn diese sich dann noch monatelanger harter Arbeit einige Rubel gespart, etwas Wäsche und saubere, brauchbare Bekleidung an Stelle ihrer zerrissenen Monturen angeschafft haben, will man ihnen dies Alles nehmen unter dem vorläufig noch nicht einwandfrei begründeten Vorwand, es geschehe den Gefangenen in Deutschland genauso. Wie verträgt sich das mit dem allgemeinen menschlichen Mitgefühl (Liebet eure „Feinde“) usw. aber auch besonders mit der nun mehr proklamierten Freiheit und Gleichheit und den Aufgaben und Zielen der internationalen Sozialdemokratie? Mir scheint, viel würdiger wäre es der großen russischen Republik, wenn sie als erste wieder den Gesetzen und Gefühlen der Menschlichkeit und der Sozialdemokratie entspräche und den Gefangenen auch wieder Menschenrechte zukommen ließe. Zum Beispiel: Entfernung sämtlicher Kriegsgefangenen aus Fabriken, die direkt für Kriegszwecke arbeiten, sowie der an Feldbefestigungen, Schützengräben, Unterständen arbeitenden, oder aber falls Kriegsgefangene freiwillig derartige Arbeiten verrichten, Gleichstellung mit den russischen Arbeitern.
(Die billige Arbeit der Kriegsgefangenen in den Fabriken kommt doch nur ausschließlich dem Kapitalismus zu Gute). Ferner Verbesserung der Beköstigung und sanitären Verhältnisse der in Lagern internierten Kriegsgefangenen.
Persönlich geht es mir und einigen Kameraden zur Zeit nicht schlecht, und wir schreiben darüber auch nach Hause, wie es uns geht. Überhaupt glaube ich, dass, wenn nur mehr das Gute als das Schlechte von beiden Seiten berichtet werden würde, dies wesentlich zur Verständigung der beiden großen Nachbarvölker und zur Tilgung des jetzt künstlich gezüchteten Hasses beitragen würde.
Es wäre doch zu traurig, wenn durch diesen entsetzlichen Krieg die arbeitenden Klassen aller kriegführenden Staaten nicht zu der Erkenntnis gekommen wären, dass sie Alle miteinander zusammenstehen müssen gegen Kapitalismus und Chauvinismus.
Ich hoffe, dass uns Allen ein baldiger Frieden einen Zusammenschluss zur internationalen Sozialdemokratie herbeiführt und in diesem Sinne ein herzliches „Glück Auf“ für freie Völker auf freier Erde!
Hochachtungsvoll Kriegsgefangenen Johan Friedrich Bochlmann
z.Zt. Jekaterinoslaw, Romanowskaja 77

Kolonist Nr.96 13 Dezember 1917



Aus der Heimat.
Neudorf bei Omsk.

Von den Wahlen der Vertreter in die Omsker Bezirkslandschaft
Am 1. Oktober hat der Omsker Bezirk seine Vertreter in die Bezirkslandschaft gewählt. Zur Erleichterung der Wahl wurde der Omsker Bezirk in 10 Rayons eingeteilt. Die Wahlen sind ziemlich gut verlaufen. Die erste Rayon, in welchem sich die meisten deutsch-russischen Bürger der Bezirks befinden, gab 6 Vertreter, von denen 4 Deutsche sind. Es ist möglich, dass auch noch der 5 Platz von einem Deutschen eingenommen wird, da die Bevölkerung von Neu-Omsk, das sich auf dem Kosakenterrain befindet, sich aus Missverständnis auch an den Wahlen beteiligt hat und ihre Kandidatenlisten den Vertreter gegeben hat, der eben den 5 Platz einnimmt; möglicherweise bekommen die Deutschen doch noch diesen Platz. Diese Frage wird auf der ersten Versammlung der Bezirkslandschaft entschieden werden, die auf den 27 November festgesetzt ist. Nun beginnt die schwere Arbeit der Vertreter für das Wohl ihres Volkes. Ich glaube, dass die gewählten Vertreter ihrer Aufgabe gewachsen sind. Gewählt sind im ersten Rayon:
1) David Hoffmann aus Nowinka, der mehrere Jahre Obervorsteher gewesen ist.
2) J. Weinert, Lehrer in Nowinka, Mitglied des zeitweiligen Bezirkskomitees zur Einführung des Landamts im Omsker Bezirke.
3) W. Kotelewski, Lehrer in Asow.
4) Ad. Andr. Buk, Sekretär der Alexandrower Kreditgesellschaft und des Konsumvereins.
5) K. Popow, vereidigter Rechtsanwalt.
6) Th. Arnt, Agronom.
Zu bemerken ist noch, dass sich die Bevölkerung den Wahlen gegenüber kalt verhalten hat und dass nur wenige ihre Stimmen abgegeben haben.
J. Weinert.
Kolonist Nr.96 13 Dezember 1917



Liebental, Bezirk Nowousensk.
Hannes im Land.

Hans hängt jetzt die Ohren, weil ihm Josephs Söhnchen den Wechsel verletzt hatte. Doch meinte er: „wenn ich nur im Amte bleibe, dann will ich schon den Schreihälsen den Brotkorb hoch genug hängen, die mir immer die Sonntagsruhe rauben wollen. Ich habe gesorgt, dass ich in meinen alten Tage die Hände nicht mehr auszustrecken brauche.“ Er war ein Krebiter (Landbefestiger). Schon im Jahre 1914 versprach er laut Gemeindebeschluss seinen Söhnen ihr Land zu geben. Weil seine Söhne nicht so hatten tanzen können, wie er ihnen in seiner Trunksucht vorgespielt hatte, so hatte er sie aus dem Hause gejagt und das Land behalten zum Unterhalte für sich und die Monopolbude. Er schämte sich jedoch und borgte von der Gemeinde einige Hausplätze und stellte die Flüchtlinge darauf. Der Segen war die Schnapsflasche. Zu „seinen“ fünf Seelen ließ er sich noch fünf halb geborgte hinzuschreiben, und nun sitzt er mitten im Landhimmel. Aber sein Glück begann erst mit dem Weltkriege, der alle taugbaren jungen Männer zur Front rief. Nun war der Einäugige König unter den Blinden. Jetzt fing er wieder an, die Gemeinde zu lenken und wurde bald wieder gewählt, obgleich er 1908 vom Bezirksgericht vom Vorsteheramte entfernt worden war, weil er Gemeindegelder an die Händler verliehen hatte.
Ein Bürger.
Kolonist Nr.96 13 Dezember 1917
Аватара пользователя
Winter
Постоянный участник
Сообщения: 4509
Зарегистрирован: 06 янв 2011, 19:12
Благодарил (а): 10172 раза
Поблагодарили: 7499 раз

Re: Вести из колоний (по страницам старых газет)

Сообщение Winter »

.
"Вперед к победе" № 25 от 13 апреля 1934 года.

Орган Федоровского Канткома ВКП(б) и Кантпрофсовета . Ответ. редактор А.Г. Костюков

ИСТОРИЯ С ТЕЛЕФОННОЙ ТРУБКОЙ

Накануне сева (в конце марта) было совещание работников связи (в Федоровке). На нем присутствовал и тов. Шевченко И. В. (зав. технической частью). Выступал конечно в прениях, докладывал свои победные рапорты, восхваления, обещания, что телефоны в кантоне к севу подготовлены „на вэлыкий палиц". Больше того, он говорил: „уже сегодня связь к севу готова" и т. д. и т. п. Сидел и радовался Шевченко, ожидая прихода сева.Наконец дождался. Сев в кантоне начался 5 апреля. Его первым начал в самом неожиданном для Шевченко месте—колхоз с Моргентау (Миусский район). Первый же день сева показал, что этот „веселый" человек радовался и восхвалялся напрасно. Что произошло? Сведений о том, как приготовились к севу Миуссцы (соседи с. Моргентау), оттуда получить не удалось, хотя и брался за это сам Шевченко. Оа узнал, что в Миуссе уже 20 дней негодится телефонная трубка (говорят в наушник).Из Моргентау подробных сведений о первом опыте сева в 1 день не удалось получить потому, что от крика в наушник Миуссцы заглушали разговор с Моргентау. Правда, расстояние от Миусса до Моргентау 1 километ., но крики в наушник из комнаты дежурной телефонистки с Миусс т. Замятиной настолько были оглушительмы, что приводили в испуг колхозников с. Моргентау, у которых немного шалят нервы. Привели эчи крики в испуг и лихорадочное состояние самого т. Шевченко (у него тоже нервы не в порядке, он поэтому для их „успокоениям -частенко выпивает сорокоградусной).С досады он на этот же день шарахнул в командировку в г. Энгельс и Саратов. Там крепко ругался, сообщил новость, что сев в кантоне начался в самом „неожиданном" месте, а трубка в Миуссе не в порядке. Настаивал срочно дать трубку, требовал еще 20 телефонных аппаратов, которые он также давая обещание до сева установить в полевых бригадах. Вернулся оттуда ни с чем. Трубку для Миусса тоже не привез. И сейчас бедные Миуссцы надрываются и уже охрипли, разговаривая в наушник. Редакции давно просила провод и телефон—и это не привез. Тамбовцы надеялись, что для их телефона кое что привезет, чтоб можно было говорить по телефону , но тоже ничего не дождались.Сейчас обижаются Миуссцы, Моргентау, редакция, Тамбовцы и др. т. е. все у кого есть телефоны, и не работают и у кого их нет совсем. А Шевченко сидя в кабинете сложа руки — с насмешкой задает вопрос:, кому—же обидней —тем у кого нет телефона , или у кого он не работает ? . По нашему обидно тем и другим на того (Шевченко), который действительно не работает, а только болтает.

А.


Как лучше организовать водопой лошадям на севе

(В порядке обсуждения)

Мое предложение такое: во время работы (в плугу, бороне в др.) лошадей поить, делая для этого коротенькие 5—10 минутные перерывы. И вот почему. Жил я в 1915 году батраком у кулака Гаас А.А. (с-Красный-Яр, Марксштадтского кантона), на пахоте гон был около 1 километра. Перед выпряжкой (за 2 раза до выпряжки) лошадей поили. Давали воды по 1 ведру на каждую.Жадной, сильно согревшейся лошади давали не сразу ведро, а в 2 приема по полведра.Лощади, благодаря этого, чувствовали себя хорошо. Корм кушали хорошо. В упитанности не только сдавали, но даже поправлялись. Из 60 лошадей ни одна на работе не заболела.

Вернер К. Я

Вниманию кантздрава

Колхозники Романовского колхоза „Победа" не освидетельствованы. Часть колхозников Воскресенки, Зихельберга и др. сел также не освидетельствованы, выезд-же в поле состоится завтра-послезавтра. Оправдываясь, зав. медучастком тов. Шперлинг говорит: „Освидетельствование колхозников я поручил.... почему не сделано— не знаю, я предполагал, что сделают.Не проверил, потому что доверил" и.т.д. и т.п. Более безответственного отношения, нежели проявленное тов. Шперлинг к нуждам колхозников—трудно придумать.

М-ров.

Вперед к победе" № 23 от 9 апреля 1934 года

Карать за варварское обращение со скотом

В с. Мангейме до сего времени имеет место варварское отношение к лошадям. Например, в 4 бригаде конюх Кексель К. избил лошадь отчего она теперь не трудоспособная к работе. Бригадир Зельцер Я.К. знал об этом, но скрыл кулацку вылазку. Недавно сам Зельцер, насильственно заставил конюха Кексель работать на больной лошади хотя тот и отказывался видя, что лошадь больная. Лошадь вскоре пала. К коням так может относиться только классовый враг - кулак,его "работу" в Мангеймском колхозе проводит Кексель и Зельцер, а правление колхоза (председатель Альберт) спокойно наблюдает за этими безобразиями и мер ни каких не принпмает.

Колхозник
http://wolgadeutsche.ucoz.ru
Марьяновка
Постоянный участник
Сообщения: 671
Зарегистрирован: 07 янв 2011, 11:11
Благодарил (а): 232 раза
Поблагодарили: 2828 раз

Re: Вести из колоний (по страницам старых газет)

Сообщение Марьяновка »

Soldatenbriefe
Aus der Druschina Nr. 10

Der Natschalnik unserer Druschina Edm. Bruders hat ein ganzes Jahr lang den Soldaten das Geld nicht ausgezahlt, was es ihnen trägt. Er hat es mit den Schwestern durchgebracht. Als die Soldaten des Wartens müde waren, drohten sie ihm. Da ging er durch. Unser Geld müssen wir uns jetzt am „langen Berg“ holen.
Johs Somer.

Sehr geehrter Herr Redakteur!
Ich möchte unsere lieben Wolgadeutschen ein wenig bekannt machen mit der Fahrt des Pastors Seib an der kaukasischen Front. Im „Kolonisten“ haben schon manchen Soldaten geklagt, dass der Pastor nicht zu ihnen kam. Wohl war Pastor Seib an vielen Stellen; doch die Front ist groß, die Wege sin in dem Gebirge sehr beschwerlich, sodass er natürlich nicht zu allen kommen konnte. Seine Fahrt hier glich mehr oder weniger einer Kollekte; zu welchem Zweck, das brauche ich wohl hier nicht zu sagen. Jedenfalls zu keinem schlechten. Wo immer er auch auftrat, überredete er neben der Wartung seines Amtes die Soldaten: „Bitte euch Soldaten gebt eure Stimme keiner Partei“. Die Folge davon war, dass viele Stimmen der Kolonistensöhen verloren gingen. Das war der Vorteil, den diejenigen hatten, zu denen Pastor Seib gekommen ist.
Erzerum. P.D.

Geehrter Herr Redakteur!
Wir freuten uns sehr, als Ihr Blatt in unsere Kompagnie kam. Eine Zeitung in der Muttersprache. Bei der alten Regierung durften wir kein einziges deutsches Wort fallen lassen; und was uns noch mehr betrübte, wir durften auch keine deutschen Briefe schreiben. Nur wenige von uns konnten russisch schreiben. Was half’s? Kam der lang ersehnte Brief zu Hause an, so konnte ihn niemand lesen. Viel, viel mussten wir leiden. Auch jetzt gibt es noch Kreaturen, die uns feindlich behandeln. Und doch streiten wir schon im 4 Jahre fürs Vaterland. Ich habe noch nie gehört, dass ein deutscher Soldat sich geweigert hätte, irgendwohin zu gehen.
Wir wurden 1915 als „Unzuverlässige“ an die kaukasische Front geschickt. Wir gingen, ohne zu murren, aber unsere Herzen bluteten. Jetzt hält man schon wieder die deutschen Briefe zurück. Man könnte ja prüfen und was verboten ist, vernichten. Aber alles vernichten, das ist keine Freiheit. Wir hatten ja zwar keinen Schaden durch diese Hetze, nur Russen; denn an der deutschen Front wären vielleicht jetzt schon Tausende von uns in Verwesung übergegangen, die jetzt noch am Leben sind. Sie gedachten es böse zu machen; Gott aber gedachte es gut zu machen.
Drum gürtel fest den Harnisch an,
Seid bis ans End getreu.
Bald ist die letzte Schlacht getan,
Der Krieg ist bald vorbei.
Nur mit einem können wir uns nicht zufrieden geben. Bei der alten Regierung konnte es nicht anders gehen. Aber nun haben wir doch gleiche Rechte bekommen. Und unsere Seelsorger bekümmern sich so wenig um ihre Herde. Es heißt doch: „Ein Gesunder bedarf des Arztes nicht“. Hier aber sind alle geistig krank. Dass so viele Tausende hier schmachten, das weiß man nicht. Man begnügt sich damit, dass sich der gute Pastor Seib gefunden hat, damit es doch wenigstens den Namen hat. Dieser eine Pastor ist gerade soviel an der kaukasische Front, als wenn jemand in die Wolga springt. So wäre unser Bitte, uns einen Pastor zu schicken. Wir sind hier ungefähr 3000 Mann; nicht gerade an einer Stelle, aber nicht weit voneinander.
Am 14 Oktober feierten die hiesigen Mohamedaner eine Art Versöhnungsfest: Nach alten Brauch scharten sich die männlichen Personen, groß und klein, zusammen. Sie stellten sich in eine Reihe, fassten sich an den Händen, in der einen Hand ein Messer haltend. Plötzlich stießen sie kurze Sätze aus und zerschnitten sich die Köpfe, dass das Blut ihnen über das Gesicht strömte. Einige brachen zusammen. Andere schlugen sich den Rücken mit Ketten. Die ganz kleinen Kinder wurden mit Rasiermessern geschnitten. Ach wie dunkel ist das Volk, und doch wie fest hält es an seinem Glauben.
Soldat der 1 Kompagnie der 3 Abteilung J. Maier.

Aus der Heimat.
Ein Weinachtsgeschenk.

Die Bezirkslandschaftsversammlung, die vom 2. Dezember in Nikolajewsk tagte, hat den Volkslehrern das Gehalt um 50 Rubel monatlich erhöht. Da die Kasse leer ist, und die Lehrer für November die Gage nicht erhalten haben, wurde beschlossen, die Kreislandschaften zu ersuchen, den Lehrern das Gehalt auszuzahlen und es dann von der Steuer abzuziehen.

Chutor Krutsch bei Omsk.
Bei uns haben die Gutsbesitzer jetzt einen besonderen Plan. Vor dem Kriege haben sie alle mit Gewalt gezwungen, bei der Kirche und Schule zu bleiben, damit es ihnen leichter falle, den Lehrer zu bezahlen. Und jetzt, wo die armen Leute alle fort sind im Kriege und die Reichen sich zu Hause die Säcke recht gefüllt haben, jetzt wollen sie die Landlosen nicht mehr haben in der Schule, ja jetzt sollen sie sogar das Chutor räumen.
A. Schmidt.

Neudorf bei Omsk.
Am 28 Oktober hat in unserem Nowinker Kreise die erste Kreislandschaftsversammlung stattgefunden. Von 38 Mitgliedern waren 30 erschienen. Die Versammlung eröffnete J. Flach. Auf Bitte der Versammlung wurde vom Vertreter des Dorfes Swonarewkut Lehrer Js. Weinert ein kurzer Gottesdienst abgehalten. In einer Ansprache wies der Redner auf die bevorstehende wichtige Arbeit hin, die mit Geduld und Liebe zum Wohle des Volkes vollzogen werden müsse. Es sprachen dann noch einige Redner. Dann verlas der Vorsitzende den Text des feierlichen Versprechens, der dann von den Mitgliedern der Versammlung unterzeichnet wurde. Zum Sekretär wurde H. Übe, zum Vorsitzenden H. Lünd gewählt. Darauf wurde beschlossen, dass die Verwaltung für den nicht großen Kreis aus 3 Personen bestehen solle. Dem Vorsitzenden wurden 1500, den Mitgliedern je 1200 Rubel Gehalt bestimmt; dem Schriftführer 1800, einem Gehilfen 960 Rubel. Den Mitgliedern der Kreislandschaft wurden 3 Rubel Tagegeld und 10 Kopeke auf die Werst Fahrgeld bestimmt. Zum Vorsitzenden wurde Herr Flach aus Friedental, zu Mitgliedern Th. Beisch und R. Wolf, beide aus Popowka, gewählt. Die Revisionskommission wurde beauftragt, mit dem Kreiskomitee abzurechnen. Die Verwaltung wurde ersucht, einen Kostenanschlag zur ersten Versammlung auszuarbeiten, die Sache der Verpflegung in die Hand zu nehmen und der Regierung ein Begrüßungstelegramm von der 1. Neudorfer Kreislandschaft zu schicken. Auf Antrag des Lehrers Weinert wurde nach der Sitzung eine Sammlung veranstaltet zum Besten der Hinterbliebenen der im Kriege Gefallenen des Neudorfer Kreises. Die Sammlung ergab eine Summe von 100 Rubel. Gott gebe, dass die Mitglieder der Kreislandschaft so einmütig bleiben, wie sie auf der ersten Versammlung gewesen sind.
J. Weinert.

Gnadenflur. Bezirk Nowousensk.
In unserem Kreise hat Nr.1 einen großen Sieg davongetragen, ungeachtet dessen, dass Herr Lonsinger hier schöne, aber nicht stichhaltende Reden gehalten hat. Seit 1911 gibt es bei uns eine Volksbibliothek, vom Landamte eröffnet. Der Leiter der Bibliothek hält Vorlesungen. Anfänglich gab es bis 40-50 Zuhörer; gelesen wurden politische Büchlein. In letzter Zeit werden diese Lehrstunden fast gar nicht mehr besucht. Männer kadettischer Gesinnung schüren dagegen: sie befürchten, die Leute würden zu aufgeklärt. Aufgefordert vom Landamte, willigte das Lehrerpersonal ein, Abendschule für Gewachsene zu halten, die des Schreibens und Lesens unkundig sind; jedoch auch dieses edle, nützliche Werk blieb ganz ohne Erfolg.
Am 23 Mai d.J. wurde endlich der lang ersehnt Wunsch verwirklicht, einen Konsumverein zu gründen. Anfänglich hatte er 82 Mitglieder mit gegen 19 000 Rubel Kapital; jetzt zählt der Verein 183 Mitglieder, aber leider ist zu bedauern, dass das Vereinswesen nicht gut fortbestehen will und wird. Erstens fehlt es uns an fachkundigen Männern, die an der Spitze des Vereins stehen müssten, zweitens herrscht Eigenlebe, Ehrgeiz, Missgunst und Parteihader unter den Mitgliedern der Verwaltung, manche treiben Rebenhandel, es mangelt auch an Waren. Durch die Eröffnung unseres Vereins erwachten auch Rosendam, Mannheim und Chutor Birutschy und eröffneten solche Vereine. In Mannheim geht und steht das Geschäft viel besser, dank der guten fachkundigen Leitung des Herrn Jakob Luft.
Am 18 und 20 November gab es bei uns stürmische Gemeindeversammlungen wegen Schule und Schulmeister, wobei es fast zu Raufereien kam. Auch hier wollte man die goldene Freiheit zum Deckmantel der Bosheit benutzen. Am 21 und 22. November wurden diese Fragen wieder in Ruhe und Frieden abgemacht, man kam noch bei Zeiten zur Besinnung. Am 23 November wurde wieder der Mitbürger H. Müller zum Vorsitzenden des Vollziehungskomitees gewählt. Letzterer hatte sich durch den Streit auf den vorhergehenden Sitzungen losgesagt, jetzt forderte er Gehaltszulage. Die Versammlung setzte ihm 30 Rubel zu. Er verlangte aber 35 Rubel. Endlich, nach langem Hin und Her erbot sich Herr Fr. Fink, die 5 Rubel den Müller aus seiner Tasche zu zuzusetzen und überreichte die 5 Rubel sogleich auf Verlangen einiger Mitglieder dem Vorsitzenden der Versammlung. Letzterer überreichte sie Müller, der sie mit Freuden unter Gelächter und Hohn der Versammlung entgegennahm.
K. Winter.

Streckerau, Bezirk Nowousensk.
Das Brantweinkochen.

Das Brantweinkochen hat in der letzten Zeit so überhandgenommen, dass man in mehreren Dörfern beinahe in jedem Haus solch ein Maschinchen finden kann. Dieses Geschäft hat die höchste Spitze erreicht. Sogar ganz ordentliche Bauern, von denen man sich so etwas gar nicht hätte träumen lassen, sind jetzt auch Branntweinfabrikanten geworden. Das ganze Getreide, das die Bauern übrig haben, wird diesem Teufelsgeschäft geopfert. Nur der Ausgang des weißen Zinkblechs verhindert auf manchen Dörfern die Verbreitung der Schnapsbrauerei. Alle alten Eimer und Büchsen wurden für einen ungeheuren Preis zusammengekauft und zu Maschinen verarbeitet. Da aber diese beinahe gekauft sind, und nach Maschinchen noch große Nachfrage ist, so wird es wahrscheinlich, wie sich schon etliche ausgesprochen haben, bald an das Marienberger – Bisuck – Kirchendach gehen welches aus solchem Material besteht. Es ist traurig, wenn man zusieht, wie hier die Frucht vermauscht wird von denen, deren Söhne draußen stehen und sich mit Schmerzen nach einem Stückchen Brot sehnen. Und nicht nur die draußen stehen, sondern auch hier in den Dörfern hat man schon viele Familien, die ohne Brot sitzen und auch keins kaufen können, da das Mehl durch das Branntweinkochen schon bis 165 Rubel der Sack kostet.
Schande, Schande! Mein lieber Bauer! Was wirst du sagen, wenn du einst gefragt wirst, von denen, die von draußen vor Hungersnot bald zurückkommen, und deren Familien zu Hause ohne Brot sind?
In Streckerau hat Pater Beilmann am Sonntag in der Kirche eine Rede wegen dieser Frage gehalten und seine Stimme wurde erhört. Die Einwohner schenken fleißig Mehl für die nach Brot Schreienden. Großen Dank den Männern, die sich erbarmt und die Stimme des treuen Seelsorgers erhört haben. Möchten sich doch noch mehr solcher braven Männer finden und den Armen zu Hilfe kommen.
Gewesene Soldat Viktor Schütz.
Kolonist Nr. 97 Freitag, den 15. Dezember 1917
Последний раз редактировалось Марьяновка 09 июн 2013, 16:29, всего редактировалось 1 раз.
Аватара пользователя
Winter
Постоянный участник
Сообщения: 4509
Зарегистрирован: 06 янв 2011, 19:12
Благодарил (а): 10172 раза
Поблагодарили: 7499 раз

Re: Вести из колоний (по страницам старых газет)

Сообщение Winter »

Марьяновка

Gnadenflur. Bezirk Nowousensk.
Марьяновка писал(а):Chutor Virntschu
вы не посмотрите,написание хутора.Можеть бытЬ вкралась описка ?
http://wolgadeutsche.ucoz.ru
Марьяновка
Постоянный участник
Сообщения: 671
Зарегистрирован: 07 янв 2011, 11:11
Благодарил (а): 232 раза
Поблагодарили: 2828 раз

Re: Вести из колоний (по страницам старых газет)

Сообщение Марьяновка »

Александр, возможно была ошибка при печатании газеты, но написано именно так. Единственно, последнюю букву можно прочитать еще как "Y".
Напомните мне Ваш Е-мэйл, я Вам вышлю копию с этой страницы.
Аватара пользователя
Winter
Постоянный участник
Сообщения: 4509
Зарегистрирован: 06 янв 2011, 19:12
Благодарил (а): 10172 раза
Поблагодарили: 7499 раз

Re: Вести из колоний (по страницам старых газет)

Сообщение Winter »

Марьяновка, спасибо.Мне кажется речь шла о хуторе Бирючий Birjutschi его написание часто менялось. Спасибо.
http://wolgadeutsche.ucoz.ru
Марьяновка
Постоянный участник
Сообщения: 671
Зарегистрирован: 07 янв 2011, 11:11
Благодарил (а): 232 раза
Поблагодарили: 2828 раз

Re: Вести из колоний (по страницам старых газет)

Сообщение Марьяновка »

Посмотрел еще раз, действительно - Бирючий.
http://f4.s.qip.ru/PGd9augE.jpg
Марьяновка
Постоянный участник
Сообщения: 671
Зарегистрирован: 07 янв 2011, 11:11
Благодарил (а): 232 раза
Поблагодарили: 2828 раз

Re: Вести из колоний (по страницам старых газет)

Сообщение Марьяновка »

Der Zustand unserer Volksschule.
Die Teuerung und die Zerrüttung des Landes hat sich nicht wenig auch in unserer Volksschule fühlbar gemacht. Noch nie hat in dem letzten Jahrzehnten die Schule so arm dagestanden, wie heute. Schulbücher und Schulhefte fehlen fast gänzlich. Obgleich die erste Hälfte des Schuljahres bald verflossen ist, haben unsere Schulen von der Semstwo noch nichts erhalten. Die Ursache ist wohl die, dass erstens die Semstwo beständig ohne Geld sitzt und zweitens die meisten Lehrbücher und Schreibmaterialien vom Markte verschwunden sind. Besonders arm steht es mit den ersten Abteilungen, wo die Anfänger sich befinden. Die Zahl der Schüler übersteigt weit die gesetzliche Norm einer Klasse, weil durch die Nationalisierung der Schule die Leute mit Gewalt im Herbste gedrückt kamen und Lehrer und Schule überbürdeten. Hier fehlt es an allem. Die Beschäftigung ist mit den größten Schwierigkeiten verbunden. Ein Teil der Schüler hat Tafeln, der andere Teil – Heften, der dritte Teil – weder dieses noch jenes. Der eine Teil der Schüler liest in der Brendelschen Fibel, der andere Teil in der Wagnerischen, der dritte – sitzt gänzlich ohne Bücher.
Weder ein verstellbare Alphabet, noch etwaige Mittel zum Anschauungsunterricht sind vorhanden. Dabei geizen noch viele der Eltern, wenn sie ihrem Kinde ein Buch oder Heft kaufen sollen. „Warum schreibst du nicht?“ fragt man den einen, der ohne Arbeit dasitzt. „Ei, Tafeln sein kana zu kria, un mei Mama saat, in a Heft kenne mir noch net schreiwa, wir solla erst’s a’lerna“.
- Aber warum schreibst du nicht, du hast doch eine Tafel?
- Ich haa ka Griffel, es sein kana mehr zu kria.
Somit sitzt die Hälfte der Klasse ohne Arbeit. Beim Lesen geht es nicht besser. Unter solchen Verhältnissen ist es schwer, seiner Pflicht nachzukommen. Es bleibt nur zu wünschen, dass die Gemeinden da selbst Hand anlegen möchten, widrigenfalls wird unsere Schule forthinken müssen, bis für sie bessere Zeiten eintreten werden.
Ein Lehrer.
Kolonist Nr.98. Katharinenstadt, Sonntag, den 17 Dezember 1917

Soldatenbrief.
Aus unseren vergangenen Soldatenleben.

Im Jahre 1915 wurden wir zu einer Arbeitsrotte formiert, die durch Persien eine Eisenbahnlinie zu bauen hatte. Unsere Arbeit wäre ja nicht so schwer gewesen, denn wir waren lauter junge Leute, wenn es nur nicht an Brot gemangelt hätte. Das schwerste aber war, dass wir so furchtbar unterdrückt wurden. Bei der alten Regierung wurde der Soldat überhaupt schlecht behandelt, und besonders wir deutschen Kolonisten; unsere Druschina aber bestand aus lauter Deutschen. Auch unsere Obrigkeit war Deutsch. Wir hatten es darum aber nicht besser. Hauptsächlich ein deutscher Feldwebel hat sich darin ausgezeichnet. Ein jeder von uns hat mehr Mitgefühl mit dem Vieh, als dieser Feldwebel mit seinen Mitbrüdern hatte. Besonders grob war er mit den Kranken. Wenn morgens jemand nicht auf die Arbeit gehen konnte, schrie er ihn auf russisch an, schlug ihn mit der Peitsche und trat sogar mit den Füßen auf ihm. Traurig war das mitanzusehen von einem deutschen Mitbruder, dass einem die Tränen kamen. Für unsere schwere Arbeit bekamen wir nur wenig Geld, es war aber doch etwas und unser sauer verdienter Lohn. Wenn der Feldwebel uns nun unser Geld austeilte, behielt er von jedem Soldaten 2 Kopeken zurück für Papiros. Das wäre schließlich auch noch nicht so schlimm gewesen. Aber er borgte bei den Soldaten bis zu 10 Rubel, versprach sie wieder zurückzugeben, vergaß dann aber sein Versprechen; so ist mancher Soldat um sein Geld Gekommen, das er selbst notwendig gebraucht hätte. Auch bei der alten Regierung durften wir nach Hause fahren. Aber auch da mussten wir nach der Pfeife unseres Feldwebel tanzen. Nach Hause gefahren sind erst seine Kollegen; dann die Reicheren, die ihm 10 oder 20 Rubel in die Tasche stecken konnten. Bei dem Unteroffizier und den anderen kostete es schon teurer. Wenn jemand nach Hause fahren wollte und 25 Rubel geben wollte, kam er nicht an. Für 25 Rubel fährst du nicht, wenn du 50 Rubel gibst, fährst du, gibst du es nicht, so fährst du eben nicht hieß es. So konnte eben nur fahren, der seinen letzten Rubel hergegeben hat, um nur zu seinen Eltern fahren zu können. So hat Herr Feldwebel seinen Mitbrüdern geholfen, ihr Geld loszuwerden. Es war bestimmt auch in der Küche aufzusehen. Da hat er auch fast alles Fleisch und die Butter für sich zu Koteletten gebraucht. Abends befahl er dem Kaschewar (Koch) zu sich und sagte:
„Wenn du bis morgen nicht 300 Koteletten fertig hast, musst du unter der Flinte stehen. Was sollte da der arme Mann machen? Von uns ist aber die Arbeit verlangt worden. Wenn der bestimmte Satz bis zum Abend fertig war, musste man dann bei Mondschein unter der Flinte stehen, und oft genug ging es über eines Menschen Kraft, das auszuführen, was bestimmt war. Nun ist die Marter vorbei. An diesem Feldwebel wollen wir uns alle ein Beispiel nehmen, wie man an seinen Mitbrüdern nicht handeln darf.
Soldaten W.J. und K.A.
Kolonist Nr.98. Katharinenstadt, Sonntag, den 17 Dezember 1917


Soldatenbrief
Schon sechs Jahre befinde ich mich im Soldatendienst und während dieser langen Zeit habe ich nicht am Hl. Abendmahl teilnehmen können. Ich bin evangelisch-lutherischen Glaubens. Durch den „Kolonisten“ haben wir erfahren dass zwei lutherische Geistliche, nämlich die Pastoren Seib und Reichert sich an die türkische Front begeben haben, um nach den sogenannten ihren Leuten? zu sehen und ihnen das Abendmahl zu welchen wir uns alle herzlichst gesehnt haben. Aber wenn sie auf diese Weise kommen wollen, hätten sie auch zu Hause bleiben können. Zu Hause sagen sie unseren Eltern und der Kanzel, sie hätten ihre Pflicht getan; wenn sie sie aber so ausüben bringen sie nur Unruhe in die menschlichen Herzen. Am 1. November 1917 ließ uns einer unserer evangelischen Geistlichen um 10 Uhr abends durch das Feldtelephon sagen, die deutschen Soldaten sollen am nächsten Morgen um 10 Uhr in einer 40 Werst entfernten Stadt zum Gottesdienst erscheinen. Nun bilden wir Deutschen hier die Hälfte der an der Front stehenden Soldaten. Wenn wir alle gegangen wären, wäre die Front unbewacht geblieben. So erlaubte unsere Obrigkeit nur aus jeder Rotte drei und aus jedem Kommando zwei Soldaten, zum Abendmahl zu gehen. Aber auch die paar Mann konnten nicht alle rechtzeitig am Platze sein, und der Pastor wollte alles in einer Stunde abmachen. Dabei konnte ich die Menge kaum überblücken. Da kann sich der Leser selbst denken, was das für ein Abendmahl war, wenn von Hundert nur 10 daran teilnahmen. Alle Geistlichen der anderen Nationen kamen in den Stab des Regiments gefahren, auch sogar in die Schützengruben. Letzteres wollen wir ja auch gar nicht verlangen. Aber alle anderen Nationen haben sich über unsere Geistlichkeit aufgehalten. Sie sagen: „Es ist das erste Mal, dass sich in drei Jahren jemand von euch hören lässt, und da kommt er nicht zu euch, sondern bleibt 40 Werst entfernt und verlangt die Soldaten vom 17, 18, 19 und 23 Turkestanischen, von 4 Regimenten also, zu sich. Und nur die Soldaten vom 23 Regiment bekamen das Abendmahl, weil sie in der Nähe standen. Alle anderen waren zu weit. Da meine ich denn, dass unsere Schulmeister, die in unserer Mitte stehen und darauf bedacht sind, ihren Pflichten nachzukommen, und besser bedient hätten. Unseren Geistlichen aber ist noch nicht zu Herzen gegangen, dass schon so viele unsere Brüder in den Schützengraben gefallen und bestatet sind ohne Gebet und Gesang.
D. Emig
Kolonist Nr.99 Katharinenstadt, Mittwoch, den 20 Dezember 1917

Soldatenbrief.
Geehrter Herr Redakreur!

Es soll jetzt Freiheit und Gleichheit für alle Völker in Russland sein, aber auf die im Jahre 1915 und 1916 in alle Welt hinausgejagten, dem Elend und Hungertode preisgegebenen „Flüchtlinge“ scheint sich das nicht zu beziehen. Man will die in ihre Heimat zurückkehrenden oft nicht in ihre Wirtschaften lassen, weil sie von den Galiziern bewohnt werden. Die feindlichen Untertanen leben ohne Kummer in den von unseren Eltern erworbenen Häusern, während wir Soldaten wie alle anderen unsere Pflicht erfüllen müssen. Ist das gerecht? Soll das noch länger so fortgehen? Wenn dieses Unrecht nicht bald ein Ende nimmt, wenn unsere Eltern nicht bald wieder unentgeltlich in unsere Heimat zurückgebracht werden, so wird man uns Soldaten, Söhnen der Verjagten, es nicht verdenken, wenn wir uns weigern werden unsere Pflicht zu tun. Ist es nicht empörend, dass österreichische Untertanen ruhig unsere Häuser bewohnen, unseren Brand brennen, während unsere Angehörigen elend in der Welt umhergestoßen werden! Ich bitte alle, sich der Vertriebenen anzunehmen und mitzuhelfen, dass sie möglichst bald wieder zurück in die Heimat kommen.
Soldat J. Ribke.
Kolonist Nr.100 Katharinenstadt, Freitag, den 22 Dezember 1917
Ответить

Вернуться в «Страницы истории»